von Sofia Selma
Quasimodo bedeutet »halb geformt«, so wird es in Disneys Glöckner von Notre Dame besungen. Mein Lateinbuch sagt was anderes, aber seitdem ich ein Wort aus dieser Sprache übersetzt habe, sind zehn Jahre vergangen.
Fuck, zehn schon.
Ich hab einen Buckel, schon mit zwölf Jahren wusste ich, dass ich einen bekommen werde, weil meine Eltern mich beim Abendbrotessen immer darauf hingewiesen haben, gerade zu sitzen.
Brust raus, Schultern zurück!
Inzwischen denke ich mehrmals am Tag daran, die Schultern zurückzunehmen, den Bauch anzuspannen, gerade zu sitzen.
Ohne Erfolg.
Immer noch sehe ich auf spontan geschossenen Fotos aus wie eine auf einem Stuhl sitzende Leuchtgarnele. Ja, diese Kleinstlebewesen, die in Happy Feet einen echt coolen Beat drauf haben.
Ich mache Kraftsport. Jetzt seit circa acht Jahren – sehe ich aus wie eine Bodybuilderin? Nein, sicherlich nicht, will ich auch gar nicht. Sport bereitet mir Freude, mein Körper fühlt sich danach gut an und mein Geist erst recht.
Basta. Mehr muss es nicht sein.
Vor ein paar Jahren habe ich Kreuzheben gemacht. Ich habe mich vorher von einem Trainer einweisen lassen. Aber mit der Zeit vergisst man die ganzen Ratschläge und in meinem Freundeskreis gibt es niemanden, der die Übung mit einem prüfenden Blick korrigieren kann.
Ich mache also eine Runde Kreuzheben, fühle mich gut, fühle mich stark. Als ich höre: »Die kippt die Schultern vor«. Schaue in den Spiegel. Typ A sagt das zu Typ B, Typ B ist Trainer im Fitnessstudio, hat mir sogar schon Tipps zu eben dieser Übung, die ich live vor ihm verkacke, gegeben.
»Lass sie mal«, raunt Typ B zurück und setzt sein Training fort. Mich verunsichert das. Ich falle noch mehr in mich zusammen und breche die Übung schließlich ab. Hat ja keinen Sinn.
»Dehne dich einfach, dann geht das weg«, sagt mein Freund. Genauso gut kann er zu jemandem mit einem gebrochenen Bein sagen: »Lauf mal nen Marathon«.
Ich hasse dehnen. Vermutlich ist das ein Grund, warum ich so krumm sitze. Ich sitze viel – auch jetzt, nachdem mein Freund so einen höhenverstellbaren Tisch angeschafft hat, an dem ich natürlich auch arbeiten darf. Aber irgendwie mag ich mein eigenes, kleines Büro und meinen nicht-höhenverstellbaren Tisch. A Room for One’s Own wie es Virginia Woolf schon erkannt hat.
Was also nun? Zauberin in Aretuza werden, um mir den Buckel einfach wegzuzaubern? Hexe bin ich ja schon – siehe Nase. Zum Physiotherapeuten gehen? Oder endlich einen dieser bescheuerten Gurte anschaffen, damit ich am Schreibtisch aussehe, als wollte ich mit einem Fallschirm aus dem Flugzeug springen?
Der Weg ist das Ziel. Oder so ähnlich.
© Sofia Selma 2023-08-14