von Gabriele Ecker
Wenn ich die Zeit zurück drehen könnte, würde ich es tun. Wir könnten uns in die Arme nehmen, fest drücken und verzeihen. Uns aussprechen, wir sind doch Schwestern bzw. wir waren Schwestern. Im Leben läuft es nicht immer geradeaus und alles wegschieben geht auch nicht. Das betrifft mich nicht, das ist alles weit, weit weg. Falsch gedacht! Am 1. März 2005 rief mich mein Bruder an und teilte mir mit: “ Die Polizei war gerade da und hat uns mitgeteilt, dass meine Schwester mit sieben Messerstichen umgebracht wurde. Von ihrem Cousin:” In diesem Moment dachte ich, mir zieht es die Füsse weg. Ich konnte es nicht fassen, wie kann das sein! Vor vierzehn Tagen hatten wir unsere Tante zu Grabe getragen und jetzt meine Schwester.
Diese Geschichte mit dem Cousin begann ein Jahr zuvor. Meine Schwester war damals in Duisburg bei der Beerdigung vom Cousin seiner Mutter. Sie behauptete, dass wir in Bayern genügend Arbeitsplätze hätten. Da dauerte es nicht lange und der Cousin stand eines Tages vor ihrer Tür. Sie nahm ihn auf, bemühte sich wegen der Arbeit und um eine Wohnung für ihn. Meine Schwester hatte zwei Jungs, Sven aus erster Ehe, damals 16 Jahre und Jonas 9Jahre aus einer anderen Beziehung. Sie verstanden sich ganz gut mit dem Cousin und es entwickelte sich eine Beziehung. Zusammen wohnten sie in einer Dachwohnung in Mauren. Später erfuhr ich, dass sie sogar mit ihm verlobt war. Meine Schwester war zu gut, das nutzte der Typ aus. Er hatte ein Alkohol und ein Drogenproblem, er behauptete zwar, er sei clean, aber das war eine Lüge. Er war auch sehr eifersüchtig, meine Schwester durfte sich nicht mit einem anderen Mann unterhalten. Ein Wochenende vor dieser Tat feierte der Vermieter, der unter ihr wohnte, seinen runden Geburtstag. Leider war zu dieser Zeit sehr viel Alkohol im Haus, das erfuhr der Cousin. Meine Schwester hatte Angst. Einen Tag vorher verkroch er sich im Keller und trank sich einen Rausch an. Am Dienstag, dem 1. März, die Kinder waren Gott sei Dank schon aus dem Haus zur Schule, meine Schwester war beschäftigt mit dem Abspülen, da schlich sich dieser Typ von hinten an und stach sieben Mal mit einem Küchenmesser zu. Anschließend legte er sich in die Badewanne und wollte sich die Vene aufschneiden. Er war zu feige! Er rief die Polizei an und berichtete: “ Ich habe meine Cousine umgebracht.” Sie nahmen ihn fest und er kam in die Untersuchungshaft nach Augsburg, danach nach Stadlheim. Die Kinder wurden in Obhut genommen und bekamen psychische Unterstützung. Um die Kinder nahm sich der erste Mann von meiner Schwester an. Sie wuchsen bei ihm auf. Der Täter bekam fünfzehn Jahre. Aber meine Schwester ist tot, sie kommt nicht mehr. In meiner Erinnerung und Gedanken lebt sie weiter. Darum sollte man nie sagen, das ist weit weg, das betrifft mich nicht. Egal was das ist. Krieg, Mord und so weiter.
Liebe Schwester, ich drücke dich!
© Gabriele Ecker 2022-03-22