Gemischte Gefühle

War sie wirklich schmerzlich, diese Erinnerung? Habe ich den Schmerz tatsächlich noch einmal empfunden oder mich nur daran erinnert, wie verletzt ich mich vor vielen Jahren fühlte? Fest steht, bis heute habe ich Wehmut und Glück so eng miteinander verknüpft nur dieses eine Mal gespürt. Heute, nachdem auch dieses Gefühl schon wieder lange vorüber ist, macht es mich traurig, wie abgeklärt ich geworden bin. Morgen bin ich vielleicht genau darüber froh.

An diesem einen Abend im Frühsommer fuhr ich mit geöffnetem Cabriodach nach Hause. Die Linden waren in voller Blüte, ich war hingerissen von ihrem Duft. Ich saß auf dem Beifahrersitz, legte den Kopf zurück und ließ den Himmel über mir vorüberziehen. Ich hatte einen schönen Abend mit Freunden verbracht, freute mich darauf, den Abend mit einem Glas Wein auf der Terrasse ausklingen zu lassen. Und dann, mitten in dieser heiteren Sommerstimmung, mischten meine Gefühle mich auf. Ein Song im Radio lenkte meine Gedanken dreißig Jahre in die Vergangenheit. Songs im Radio erinnern mich oft an vergangene Zeiten. Manchmal lösen sie Gefühle aus, oft denke ich auch nur an eine bestimmte Situation. Auf dieser Fahrt wurde „Hey Girl don’t bother me“ von den Tams gespielt. Ein Lied, das mich an meine erste große Liebe, den ersten großen Liebeskummer und den größten Idioten erinnerte. Wir hatten nach heutiger Bezeichnung eine On-Off-Beziehung, bis er mich endgültig verließ. Ich trauerte monatelang, es folgten neue große Lieben und viele weitere Idioten.

In diesem Moment meiner Erinnerung waren sie alle gleichzeitig da, im Zeitraffer flanierten sie vorbei und bescherten mir einen Gefühlscocktail aus Melancholie, Glück und Erleichterung. Ein bisschen Trauer über Vergänglichkeit und Unwiederbringlichkeit war auch dabei, ehrlicherweise aber nicht wegen der Männer, die mich verlassen hatten, sondern weil ich mich alt fühlte.

Ein tiefer Seufzer am Ende des Songs, ein Blick auf die letzte große Liebe auf dem Fahrersitz neben mir und die Erinnerung durfte sich mit allen Verflossenen wieder verflüchtigen. Der Schmerz ist altersschwach geworden und zuckt nicht mal mehr. Das Alter hat doch viel Gutes.