Genauso wieder![?]

Mavislife

von Mavislife

Story

Es war Dezember 2017 und die Tage meines Großvaters waren gezählt. Er lag mit Lungenkrebs im Spital. Wenige Tage bevor er starb, spielte er im Kopf sein Leben noch einmal im Schnelldurchlauf ab – das konnte man ihm von seinen Augen ablesen. Auf meine Frage, ob er rückblickend gesehen etwas anders gemacht hätte, mit dem Wissen, das er nun hatte, antwortete er kopfschüttelnd und mit einem Lächeln auf den Lippen: „Nein! Genauso wieder!“ Er blickte dabei mit etwas Wehmut in den Augen auf den Boden seines Spitalzimmers. Diese drei Worte gingen ungefiltert unter die Haut und mir verschlug es regelrecht die Sprache. Es war nur ein kurzes Gespräch, aber es hat noch lange nachgewirkt und mir sehr imponiert. Ich glaube, man kann sich nicht mehr wünschen, als am Ende seiner Tage so zufrieden Resümee zu ziehen. Ein erstrebenswertes Ziel, wobei ich zugegebenermaßen nicht immer von den Handlungen meines jüngeren Ichs überzeugt bin. Aber Hand aufs Herz, wer hat sich noch nie gefragt, wie das Leben wohl verlaufen wäre, wäre man das ein oder andere Mal an einer Kreuzung anders abgebogen und hätte sich anders entschieden?

Wer sehnt sich nicht zumindest einen gewissen Tag in seinem Leben zurück, an dem man (aus heutiger Sicht) eine falsche Entscheidung getroffen hat, um dann anders zu handeln? Aber im Leben bekommen wir nur selten eine zweite Chance. Es ist ja schließlich kein Theaterstück (auch wenn es sich manchmal so anfühlt) und Generalproben für die „echte Aufführung“ gibt es hierfür nicht. Salopp gesagt: Wenn du’s verkackst, dann musst du auch mit den Konsequenzen leben! Sonst bliebe der Lerneffekt ja aus. Die Fehler, die wir begehen, dienen lediglich dazu, um daraus zu lernen.

Aber stellen wir uns vor, unser Leben wäre ein Film, den wir jederzeit zurückspulen und an jeder beliebigen Stelle anhalten könnten. Wäre das Leben dann noch so spannend? Hätte es dann noch diese gewisse Würze? Wären wir in unserer Jugend voller Vorfreude, Nervenkitzel und Erwartung aufs Älterwerden? Würden uns schöne Momente dann noch den Atem rauben?

Wir schreiben alle unsere persönliche Geschichte mit sämtlichen Höhen und Tiefen. Manche trifft das Schicksal hart, andere bleiben glücklicherweise verschont. Im Grunde genommen hat es keinen Sinn, sich gedanklich in die Vergangenheit zu katapultieren und darüber zu sinnieren, wie das Leben wohl verlaufen könnte, denn dann verpassen wir das Hier und Jetzt. Zurückblicken sollte man lediglich, um zu sehen, wie weit man bereits gekommen ist.

© Mavislife 2020-06-01