Geräusche

Der Morgen beginnt damit, dass mein Wecker mir ins Ohr brüllt auszustehen. Das ist eigentlich jeden Morgen, das erste, dass ich höre. Ist wahrscheinlich bei fast jedem so? Das zweite, dass eher ungewöhnlich ist, sind dann wohl, meine Nachbarn. Sie sind letzte Woche im Gebäude eingezogen und feiern es dementsprechend jeden Abend und in der Früh.

Daraus resultiert dann auch das dritte Geräusch. Musik, die mir in die Ohren brüllt. Ungefähr zwei Stunden, ist es das einzige, was ich höre, während ich mich fertig mache.

Lautes Geschrei, leises Flüstern, liebliches Säuseln. Alles ist dabei. Und es unterbricht die anderen Töne des Alltags. Lautes Trampeln, Babygeschrei, Türknallen…

Dann muss ich los. Ich schnappe mir die Schlüssel, beiße ein letztes Mal in den Toast und laufe zum Bus.

Hier muss ich auch mit niemandem reden. Der Fahrer kennt mich. Ich zeige ihm nur kurz meine gültige Buskarte.

Dann schweige ich weiter, auch wenn die ältere Dame neben mir so aussieht, als würde sie sich gerne mit jemanden unterhalten. Tut mir leid, nicht mit mir.

Kaum hielt der Bus vor dem riesigen Theater, rannte ich raus und riss die Türen auf.

Ich atmete tief durch und ging zu den Garderoben. Ich schnappte mir Puder, Eyeliner und Lippenstift und machte mich an die Arbeit. Nachmittags um halb zwei war der Akku meines Handys leer. Natürlich lag das Ladekabel daheim.

Ab jetzt hörte ich wieder alles. Das Gesumme meiner Kollegen, Kleider, die raschelten, zuschnappende Dosen.

Und dann kamen neue Geräusche dazu. Murmeln. Schritte. Lachen.

Es war fast zwanzig Uhr. Vorsichtig spähte ich durch den großen roten Vorhang. Der ganze Saal war voll.

Dann der erste Gong. Und der Zweite. Unsere Garderobiere kam auf mich zu und richtete mein Kleid und das Make-up. Und jetzt wurde alles ganz Still. Man hörte überhaupt nichts mehr. Ich trat vor. Schritt für Schritt. Bis ich mitten auf der Bühne stand und gegen das blendende Scheinwerferlicht anblinzelte. Und zum ersten Mal an diesem Tag, sprach ich.

Und alles war Still.