Es gab ein Brautpaar und sehr viele GĂ€ste, eine Messe und ein Festzelt fĂŒr die Hochzeitsfeier. Was es nicht gab, war eine kirchliche Trauung. Es war eine âMesse mit Freundenâ, wie es in der Einladung stand. Da ist die katholische Kirche streng, da wird nicht nach Schuld oder Nichtschuld gefragt. FĂŒr eine Geschiedene gibt es keine zweite kirchliche Hochzeit. Die Kirche ist hart zu ihren treuesten AnhĂ€ngern, zu denen das Brautpaar zĂ€hlt. Gerade die, denen eine kirchliche Trauung mehr bedeuten wĂŒrde als nur eine schöne Show, trifft das Gesetz mit voller HĂ€rte.
Das Brautpaar, eigentlich schon Ehepaar nach der am Vortag erfolgten standesamtlichen Trauung, saĂ also nicht in der Mitte vor dem Priester, sondern in der ersten Bankreihe. Eine Segnung als eine Art Pseudohochzeit war nicht geplant. Es war nur eine Messe und doch war es eine Hochzeit, wenn man den Geist der Gesetze sieht und nicht nur den Wortlaut. Nach strengster Auslegung sind die beiden jetzt SĂŒnder, auch der BrĂ€utigam, der vorher nicht einmal noch standesamtlich verheiratet gewesen war.
Das Brautpaar trat nach der Messe aus dem Kirchentor heraus wie jedes andere Paar nach der Hochzeit auch, und dann wurde in einer warmen Juninacht mit dem riesigen Familien- und Freundeskreis ein wunderbares Hochzeitsfest gefeiert. Auch der polnische Pfarrer, der die Messe gelesen hatte, nahm daran teil.
Die Vorgeschichte zu diesem spĂ€ten GlĂŒck ist folgende: Meine Freundin P. heiratet relativ jung, drei Wunschkinder kommen, sie ist wieder als Lehrerin berufstĂ€tig und managt auch sonst alles. Ihr Mann nĂŒtzt seine unregelmĂ€Ăigen Dienstzeiten bald zu einem Doppelleben als notorischer FremdgĂ€nger. Der Entdeckung folgen viele SchwĂŒre der Besserung, Vergebung und Versöhnungen, aber immer wieder RĂŒckfĂ€lle.
Als die Kinder erwachsen sind, raten sie der Mutter, das aussichtslose Spiel zu beenden. Bei der Scheidung muss sie dem Mann seine HĂ€lfte jener Eigentumswohnung abkaufen, die ihre Eltern beiden gemeinsam zur Hochzeit geschenkt haben. Mit 50 rechnet sie mit einem Singleleben, ist froh Ruhe zu haben.
Durch eine gemeinsame ehrenamtliche TĂ€tigkeit kommt zufĂ€llig der Kontakt zu einem Mann zustande, fĂŒr den sie als 14jĂ€hrige einmal geschwĂ€rmt hat, aber in diesem Alter sind 6 Jahre Altersunterschied noch sehr viel. Er lebt beruflich bedingt lange Jahre im Ausland, heiratet nie und kehrt dann zu einem letzten groĂen Karrieresprung nach Wien zurĂŒck. Als er erfĂ€hrt, dass sie geschieden ist, schreibt er ihr einen Brief. Man trifft einander, die Zuneigung wĂ€chst rasch. Damals hat sie ihm einen Schal gestrickt, den er 35 Jahre spĂ€ter immer noch aufbewahrt. Der Wunsch, nach einigen Jahren Beziehung doch noch zu heiraten, geht von ihm aus. Den Heiratsantrag macht er ihr bei einem Dinner im Riesenrad.
Die beiden sind ein Traumpaar, auch ohne den Segen der Kirche, fĂŒr die sie noch immer ehrenamtlich tĂ€tig sind. Und selten trifft man zwei Menschen, die so sehr fĂŒreinander geschaffen sind.
© 2022-10-04