Gedanken eines gelassenen Flaneurs auf der Suche nach seiner verlorenen Vergangenheit: Nach dem wieder Ruhe in unsere kleine Stadt eingekehrt war, wandelte ich in das beschauliche Hafenbistro zurĂŒck und freute mich ĂŒber den noch hell leuchtenden Mond. âIch sitze nun alleine hier, zufrieden und glĂŒcklich mit mir selbst. Adieu ihr Menschen in MĂŒnchen. Ich sende Euch eine Postkarte, und niemals werden wir weit genug von Euch seinâ, lautete der etwas ironisch gemeinte Tagebucheintrag. In unserer arkadischen Ferienidylle herrschte ein anstĂ€ndiges Leben, das fern der nervösen Rastlosigkeit der Hauptstadt war. Der gut gelaunte Ober stellte einen erlesenen Wein auf den marmornen Tisch und fragte, ob er sich nach getanem Tagwerk dazu setzen dĂŒrfe. Ich schloss das lederne Buch, und es entwickelte sich ein anregendes nĂ€chtliches GesprĂ€ch mit der QualitĂ€t eines poetischen Dialogs. Sein Sprachcharakter beeindruckte mich. Auf meine Frage nach seinen ehemaligen Lehrerern, berichtete er von einem Ă€lteren Freund, der ausgezeichnet Lateinisch beherrschte. Ihm widerfuhr im Jugo-Sozialismus jedoch nie das GlĂŒck, dozieren zu dĂŒrfen. Nachdem es aber schon dĂ€mmerte, vereinbarten wir einen ausgedehnten Spaziergang fĂŒr den nĂ€chsten Mittag.
Er brachte seinen Mentor mit, und meine Freundin kam kurz darauf dazu. Wir flanierten gemĂ€chlich an der Cetina und nicht am Meer entlang. In der unberĂŒhrten romantischen Flusslandschaft unterhielten wir uns ohne die ĂŒblichen GerĂ€uschkulissen der ungestĂŒm Badenden und peinlich lĂ€rmenden Boote. Die erfrischende KĂŒhle in den weiten Auen beflĂŒgelte die Gedanken. So entfalteten sich fabelhafte WortgebĂ€ude vornehmlich ĂŒber die römische Geschichte und Lebensphilosophie. Professor Medici, wie man ihn zu rufen pflegte, glich einer verborgenen Perle, die seiner Zunft alle Ehre machte. Ihn zu hören und spĂ€ter Freund nennen zu dĂŒrfen, war eine unglaubliche, wenn auch zufĂ€llige Bereicherung meiner Ferien an den Gefilden des Gottes Faunus. ErwĂ€hnen will ich, dass er aus dem Ort Medici stammte, in dem meine GroĂmutter Dora das Meer erstmals sah: âEx spuma natumâ, die im Meer geborene Schönheit Aphrodite. Am spĂ€ten Nachmittag erreichten wir die alte MĂŒhle der adligen Familie Radmann. Im, mit antiken Relikten schön dekorierten, Museumsrestaurant servierte die Tochter eine schmackhafte Fischplatte und den grĂ€flichen Hauswein. Da ein unerwartetes Gewitter drohte, fragten wir sie, ob denn jemand nach Omis zurĂŒckfahre, was sie mit erkennbaren Sorgenfalten im Gesicht verneinte. Der schnellen RĂŒcksprache mit der höflichen Mutter folgte die herzliche Einladung, in ihrem Gehöft zu nĂ€chtigen. Nach einer formidablen Verköstigung, gesellte sich Madame zu uns, und wir vernahmen amĂŒsante Geschichten und Anekdoten. Mit ihr, unserem âRömerâ, seinem Freund und Verena, verging die Zeit nahezu unbemerkt. MĂŒde, aber glĂŒcklich legten wir uns bald darauf in der Kemenate zur trĂ€umerischen Ruhe.
© Michael M. Stanic 2020-06-14