von Marianne Schmidt
(Die Tante)
Mein Gartenparadies macht auf alle Fälle viel Arbeit. Man sollte nicht glauben, wie viel Arbeit so um die 400 Quadratmeter machen können, selbst wenn man keine übertriebenen Perfektionsansprüche stellt und sich sowohl mit Wildblumen im Rasen als auch einem gewissen Laissez Faire arrangiert. Und kam das mit der Arbeit im Schweiße des Angesichts nicht erst, nachdem Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben worden waren?
Meine Großeltern, Angehörige der Wiener Siedlerbewegung nach dem Ersten Weltkrieg, die diesen Garten angelegt haben, empfanden ihn jedenfalls als Segen. Mit Obst und Gemüse, Hühnern, einer Ziege und Hasen mussten sie in den Jahren zwischen den Kriegen, in der Kriegs- und Nachkriegszeit nicht zu den Bauern hamstern gehen. Aber es gab auch schon Blumen, wie in den Bauerngärten. Was man halt so anpflanzte – Pfingstrosen, Schwertlilien, Rosen, Hortensien … Berühmt war die Petersilie meiner Mutter, Reihe um Reihe, aus eigenem Saatgut jedes Jahr neu ausgesät. Und meine Nichte, die nebenan wohnte, machte ihre ersten gärtnerischen Gehversuche in diesem Garten.
Ich selbst bin zum Garteln spät gekommen, als wir den Garten schließlich übernahmen. Angefangen mit null Ahnung – als Kind beschränkte ich mich großteils darauf, mich mit Himbeeren und Kirschen vollzustopfen, auf den Apfelbaum zu klettern und die Zeit mit Freunden und Verwandten zu genießen – habe ich jetzt nach x Gartenbüchern und jeder Menge Googeln sowie Gärtnertratsch auf Gartenausstellungen zumindest ein bisschen Ahnung und werfe zuweilen mit botanischen Fachausdrücken um mich.
Zu einem Paradies gehört nun halt leider auch die Schlange. Diese tritt in unserem Garten vor allem in der Gestalt von Nacktschnecken auf, und natürlich auch in floraler Form – ich sage nur, Giersch, Winden, kriechender Hahnenfuß und dergleichen. Andererseits bin ich Anhänger des naturnahen Gartelns, bevorzuge heimische Gehölze und denke auch an die Bienen und andere Insekten. Mit der Zeit stellt sich eine gewisse Gelassenheit ein.
Natürlich ist mein Garten trotz alledem ein Paradies. Das hat sich jetzt in den Zeiten von Corona ganz besonders gezeigt. Einen Garten zu haben, erwies sich als noch größeres Privileg als je zuvor. Und noch mehr als je trat dieser Effekt ein, den ein Garten auf seine Besitzer ausübt: man vergisst alles rundherum und gräbt, pflanzt, gießt, jätet, brütet über Gartenbüchern und macht Pläne: wie wäre es mit einem Schattenbeet? Vielleicht doch noch eine Clematis, um die verblühte Fliederwand im Sommer zu verschönern? Noch eine weitere besondere Minzensorte? Die Erdbeeren gehören erneuert … und, oh Freude, die im Herbst neu gepflanzten Zwiebelblumen strecken die ersten Blätter heraus. Und dann ein Stündchen in der Hängematte. Nachher Kaffee und Kuchen unter dem Sonnensegel. Ein Paradies fürwahr! Was war da mit Lockdowns und Impfstoffdiskussionen? Der Garten ist ja hier wie schon seit hundert Jahren.
© Marianne Schmidt 2021-04-18