von Silvia Peiker
“Die Hölle, das sind die anderen.” Inspiriert zum Höllenspektakel wurde Jean-Paul Sartre von seinen traumatischen Kriegserlebnissen. Ursprünglich sollte das Stück in einem Luftschutzkeller spielen. Während des Time Travels auf der Magic Vienna History Tour kann man Klaustrophobie pur im dunklen, engen Keller mit simulierten Fliegerangriffen und Bombeneinschlägen nachvollziehen.
Doch die Protagonisten wachen nach ihrem Tod nicht in einem Keller, sondern in einem geschlossenen Raum mit verschlossenen Türen auf. Zwei Frauen und ein Mann, die wahrlich keine Unschuldsengel sind, finden sich in ihrer eigenen Hölle wieder, werden zum Peiniger der anderen, ständig in der Furcht, ihr eigenes, schreckliches Geheimnis zu offenbaren. Um den anderen ihre grausamen Wahrheiten zu entreißen, müssen sie jedoch auch selbst ihre Schuld eingestehen, und so machen sie einander im wahrsten Sinn des Wortes gegenseitig die Hölle heiß.
Ich erinnere mich an die aufwühlende Aufführung im Wiener Künstlerhaus, die in Sartres Todesjahr 1980 von der Theatergruppe “Die Komödianten”, welch Antagonie zum perfiden Drama, aufgeführt wurde. Nun steht das Erfolgsstück wieder auf dem Spielplan, dieses Mal soll es am 19. Februar im Burgtheater seine fulminante Premiere feiern. Moretti, der den Journalisten Garcin verkörpert, nennt die Dreierkonstellation grausam, denn zwei bilden eine Allianz und schließen den anderen aus. Und der Blick des anderen wird zum elementaren Spiegelbild des eigenen selbst und ist wichtiger als die eigene Existenz.
Das Gefühl des Eingeschlossenseins eröffnet den Blick auf unser verborgenes Innerstes. Plötzlich ist man dazu angehalten, hat Zeit, sich mit selbst zu beschäftigen und erkennt dabei, dass man mehr von den anderen weiß, aber die Geheimgänge des eigenen Ichs erst ergründet werden müssen.
Bereits als Teenager fesselte mich das Eintauchen in Sartres gedruckte Buchstabenhölle, aber erst das Schauspiel auf Schillers Brettern, die die Welt bedeuten, zu erleben, bildete das Sahnehäubchen, wodurch die Botschaft des Künstlers an Eindringlichkeit gewann. Denn wieder einmal ist es unsere Wahrnehmung, die uns oft Streiche spielt, ist es Sartres Spiel mit unfreiwilliger Isolation, deren Nachgeschmack der Pandemiejahre auf unseren Zungen brennt.
Wenn der Dramatiker sinniert: “Vielleicht gibt es schönere Zeiten, aber diese ist die unsere.” Dann sollte uns das zu denken geben. Denn auch wenn äußere Umstände unsere Freiheit beschränken, so liegt es dennoch an uns, wie gut oder schlecht wir mit dieser, uns aufgezwungenen Situation, umgehen.
Und wenn der unvergleichliche Nick Cave intoniert:
„We have the answers to all your fears
It’s short, it’s simple, it’s crystal clear
It’s round about and it’s somewhere here
Lost amongst our winnings.“
Bald erkennen Estelle, Ines und Garcin, dass sie auch noch in der eigenen Hölle vom anderen abhängig sind, ein Kreislauf, der bis in alle Ewigkeit andauert.
© Silvia Peiker 2022-02-15