von Franziska Krug
Gestern war es komisch mit meinem Bruder, allein zu Hause. Die Mama ist zwölf Tage nicht da und Papa ist fast wie Luft, wenn keiner mit ihm redet. Adrian liegt mit den Beinen in der Luft auf seinem Bett. Mit seinen Füßen spielt er mit dem Vorhang. Im Fernseher läuft Fußball, ich hocke direkt davor und bemerke das grelle Feld aus Punkten vor meinen Augen. Adrian liegt auf dem Bett, der Vorhang legt einen Blick ins Freie offen. Es wird so schnell dunkel, dass es eigentlich schon dunkel ist. Vorhin bin ich etwas um den Häuserblock gegangen. Die Lichter in meinen Turnschuhen gehen noch, obwohl ich sie lange nicht angehabt habe. Die Straßen fühlen sich an wie Straßen im Sommer. Die Tür des Sportwetten-Lokals ist offen. Die Männer darin sitzen heute in frischer Luft, obwohl sie weiter rauchen, weil die Türen offen stehen. Auf dem Spielplatz war niemand mehr, außer den nörgelnden Fremden. Die hätten besser ins Bett gehen als meine Schaukel besetzen sollen.
Adrian liegt auf seinem Bett. Die Eltern sind nicht zu Hause, darum kann Adrian die Musik so laut hören, wie er möchte. Es klingt wie ein neues Album von Bushido, nachdem er lange Zeit von der Bildfläche verschwunden war. Schon der erste Ton gefiel mir, das hat mir schon immer an diesem Bushido gefallen. Er rappt über Sachen, die man im TV sieht und dass alle Leute außer die jungen meinen, er sei scheiße. Er ist aber nicht scheiße, sondern die Anderen sind scheiße. Adrian hört auch andere Rapper an. Die sind aber nicht so melodisch wie Bushido. Es hat schon einen Grund, wieso sich Manche einen Namen machen. Die Musik verklingt.
Adrian liegt nicht mehr auf derselben Stelle in seinem Bett. Die Rapper wurden langsam weniger, sie wurden immer leiser. Niemand singt. Adrian ist müde und ich war es schon vor den Fremden auf dem Spielplatz. Eine Runde um das Haus gehen macht müde. Ich war schon davor müde. Adrian liegt und schweigt wie der rappende Stereo. Adrians Augen sind ganz dunkel, weil wir noch kein Licht angemacht haben. Adrians glänzende Augen verlieren sich in meinem langsamen Zwinkern. Er sieht an unsere Zimmerdecke und denkt nach. Oder er ist traurig. Schaut so aus. Vielleicht kommt ihm eine Idee. Er soll es einfach probieren.
Adrian hat schon Schuhgröße 43 und ist zweimal so groß wie ich. So klein kann er nicht mehr sein. Wenn ich einmal so groß bin wie Adrian, habe ich bestimmt schon ganz viele tolle Sachen gemacht. Hoffentlich bleibt Adrian bis dahin bei mir: Nur mit Mama und Papa wäre es mir zu langweilig. Auch wenn ich mich mit Adri nicht immer verstehe, aber … so ein Fiesling. Lässt mich nicht schlafen. Jetzt sucht er etwas unter der Decke und mault mich an. Er kann so gemein sein. Ich bin doch noch so klein und brauche meinen Schlaf.
© Franziska Krug 2021-02-23