von Ago Agic
José konnte es kaum erwarten, in eine der köstlichen Empanadas seiner Frau zu beißen. Letztes Jahr hatte sie während eines Straßenkarnevals einige ihrer Empanada-Kreationen zum Verkauf angeboten. Die Gäste hatten ihr die Gebäcktaschen förmlich aus den Händen gerissen und sie mit Komplimenten überhäuft, wie köstlich ihre knusprigen Maismehltaschen mit einer Füllung aus würzigem Rinderhackfleisch, frischen Tomaten, Zwiebeln und einer geheimen exotischen Gewürzmischung schmeckten. Seitdem schlenderte Josés Frau mit einem Korb voller Empanadas auf dem Kopf täglich durch die Straßen, um Geld für ihre Familie zu verdienen.
Josés Magen knurrte laut.
»Es wird bestimmt nicht lange dauern, Papa«, sagte Shadia, seine Tochter und sein ganzer Stolz.
»Das hoffe ich sehr. Ich habe Hunger wie ein Wolf. Vielleicht sollte ich dich lieber als Abendessen nehmen?« Er machte eine scherzhafte Geste, als würde er sich auf sie stürzen wollen.
Shadia lachte. »Nein, ich schmecke bestimmt nicht so gut. Die Empanadas von Mama schmecken viel besser. Wenn ich mal groß bin, werde ich auch so eine tolle Köchin wie Mama.«
»Das wirst du bestimmt. Mama hat gesagt, dass du heute sehr fleißig warst und ihr beim Kochen geholfen hast. Und hast du auch deine Englischhausaufgaben gemacht?«
Das Mädchen nickte eifrig. »Ja, habe ich. Ich kann mich schon auf Englisch vorstellen.«
»Na, dann lass mal hören«, ermutigte José sie.
»My name is Shadia. I’m nine years old. My dad is a teacher, and my mom cooks yummy food.«
»Excellent«, lobte José.
Just in dem Moment betrat seine Frau die Veranda und stellte einen Korb himmlisch duftender Maismehltaschen in der Mitte des Holztisches ab. Als José nach einer Empanada greifen wollte, schlug ihm seine Frau leicht auf die Finger und maßregelte ihn mit einem gespielten strengen Blick: »Finger weg! Wir essen erst, wenn alles auf dem Tisch ist und nach dem Gebet«, sagte Luciana. »Shadia, holst du bitte die Ají-Soße?«
»Natürlich, Mama.« Augenblicke später erschien das Mädchen mit dem Kräuterdip, stellte ihn neben den Korb und setzte sich an den Tisch.
In Andacht faltete die Familie die Hände zum Gebet, und José ließ mit geschlossenen Augen sein Herz sprechen: »Oh Herr, wir danken dir für die Gaben des heutigen Tages, für die Früchte der Erde und deine stete Fürsorge. Segne dieses Mahl, gib uns Kraft und beschütze unsere Familie. Lass uns stets in Dankbarkeit leben. Amen.«
© Ago Agic 2025-03-20