von So_Yellow_
Time for change. Vier Wochen Entzug. Ich bin ein Junkie, völlig auf Cortison fixiert. Neurodermitis. Mit dem letzten Schub kam eine Superinfektion.
Ich komme an. Werde durchgecheckt. Von Kopf bis Fuß. Antibiotika. „Hier, nehmen Sie diese Kleidung und gehen Sie den Gang entlang, zweite Tür rechts.“
Ich betrete den Raum. Er ist voller weißer Gestalten. Sie sind meist nackt und haben in ihren Händen Spatel, mit denen sie Creme aus riesigen Töpfen entnehmen und auf ihre Haut bringen. Auch mir wird von einer Krankenschwester ein Spatel übergeben. Sie liest meine Liste. Reicht mir Cremedosen. Diese Creme dorthin, diese ins Gesicht, den Rest des Körpers mit einem weißen Gemisch einsalben. Nach wenigen Minuten erkennt man mich nicht mehr. Ich sehe aus, wie beim Holy-Festival. Nur in Weiß. Oder eher: wie ein Gespenst. Das passt: die Klinik ist ein altes Schloss.
Ich ziehe die Kleidung an, die man mir gegeben hat: ein weißes Baumwoll-Shirt und weiße lange Unterhosen Marke „Eingriff vorne“. Der Stoff klebt an der weißen eingecremten Haut. Das erste Mal fühlt meine Haut sich kühl an, nicht völlig überhitzt.
Gespräche mit der Ärztin. Mit der Ernährungsberaterin.
Nachts juckt mein Körper. Wie immer. Ich klebe am Bett. Hinterlasse weiße Flecken, als die Kleidung durchtränkt ist.
Jeden Tag muss ich mehrmals ins Salbenzimmer. Schon bald habe ich mich daran gewöhnt. An die weiße Nacktheit aller. An das kühle, klebrige Gefühl, wenn die Baumwolle an der Haut klebt. Klebt sie nicht mehr, muss eine neue Schicht Salbe auf die brennende Haut. Allergietests. Ausschlussdiät. Autogenes Training. Ich ernähre mich von Roter Beete und Kartoffeln und Reiswaffeln. Nach zwei Wochen: Verändert sich meine Haut. Weniger Kratzen. Weniger rot. Sie strahlt nicht mehr solche Hitze aus.
Mit anderen „Gespenstern“ tanzen wir nachts bei Kerzenschein in einem alten Schlosssaal. Hören Mantras und kichern. Draußen ist Winter. Überall liegt Schnee. Wir gehen in das Dorf und verschmelzen mit der Umgebung. Diese weißen Gesichter und weißen Baumwollhandschuhe. Doch keiner schaut uns verwundert an, jeder hier kennt das Schloss und seine Bewohner auf Zeit.
Nach vier Wochen: ist meine Haut so schön, wie nie zuvor in meinem Leben. Samtig und glatt. Ohne Cortison. Ich habe sieben Kilo abgenommen und bin jetzt an der Grenze zum Untergewicht. Dabei esse ich wie eine Verhungerte: Kartoffeln und Reis und rote Beete und Feldsalat.
Bald ist die Heimreise. Ich vermisse meine kleine Tochter. Und habe Angst, dass die Neurodermitis dort wieder zuschlägt. Zuhause, wo es keine Mantras und kein Salbenzimmer gibt. Wo die Pollen fliegen und der Stress mir die Hand gibt.
Ich habe viel gelernt. Einen Cortisonentzug erlebt. Weiß, worauf ich achten muss. Oft klappt es, aber nicht immer. Manchmal gehe ich auch hier ins Bett, weiß „angemalt“ von oben bis unten und entspanne mich, wenn ich merke, wie die Salbe meinen Körper kühlt. Dann denke ich an das Schloss.
Bild: Valentin Salja/unsplash
© So_Yellow_ 2020-04-25