Gestatten, Panj, mein Name

Wortklauberin

von Wortklauberin

Story

Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle, Panj, mein Name, Pandsch gesprochen, aber mit einem ganz weichen, fast nur angedeuteten „d“. Eigentlich ist der Name ohne Bedeutung, denn ich wechsle ihn von Zeit zu Zeit.

Die meisten von Ihnen werden mich gar nicht kennen,obwohl ich einer der Großen bin, hier in Zentralasien.

Viel bekannter als ich wird Ihnen vielleicht diese Straße sein, die sich mit dem hochtrabenden Namen Highway schmückt – Pamir Highway. Ja ich spüre regelrecht, wie einige unter Ihnen jetzt aufmerken, sich die Sehnsucht nach fernen Reisezielen in Ihren Gesichtern abzeichnet und Sie die Vision von extremst hohen schneebedeckten Gipfeln, klaren rauschenden Gebirgsflüssen und oasen gleichen Dörfern in den Flussbiegungen vor sich sehen.

Allerdings muss ich Ihnen gleich zu Anfang eine Illusion rauben – den Highway betreffend. Sollten Sie sich unter diesem Begriff eine Straße nach europäischen Maßstäben vorstellen, dann vergessen Sie das gleich wieder. Ein schlecht gepflegter schmaler Feldweg windet sich stellenweise neben mir entlang. Übersät mit Schlaglöchern, die zusehends mehr werden, seit auch noch chinesische 30-tonner Lkws hier entlang fahren. Brenzlige Situationen zwischen ihnen und den Kamikaze Fahrern der Jeep Taxis sind an der Tagesordnung. Gut sichtbar habe ich zur Warnung mehrere Autowracks platziert, in der Hoffnung jemand möge doch aus fremden Fehlern lernen.

In dem Gebiet, das ich durchfließe, habe ich schon viele Herrscher kommen und gehen gesehen.Ende des 20. Jahrhunderts wurde durch die Allmachtsfantasie von englischen und russischen Bürokraten auf meinem Rücken eine Landesgrenze gezogen. Fern jeder Realität.

Realität ist, dass ich viel zu tun habe – ein schneereicher Winter und viel Regen im Frühsommer. Von allen Seiten strömt es mir zu.

1000 cbm Wasser pro Sekunde und mehr sind zu bewegen. Mir bereitet das keine Mühe. Ich nehme mir den Raum, den ich brauche. Es kann auch ein Stück vom sogenannten Highway sein.Mein Bett ist variabel von mehreren hundert Metern Breite bis auf die Distanz eines Steinwurfs.Dort, wo Felswände meinen Lauf auf ein paar Meter verengen, ist es mir eine Freude meine Kraft spielen zu lassen.Stromschnellen, Strudel, Wasserwalzen. Dazu mein Tosen, Rauschen und das Klackern von bewegten Steinen.Musik der anderen Art. Ich bin atemberaubend anzusehen. Nicht unbedingt atemberaubend schön, mit meiner schmutzig grau braunen Wasserfarbe,aber unheimlich atemberaubend angesichts meiner mitreißenden Energie.

Wer jedoch meint, meine Kraft unbegrenzt nutzen zu können, dessen Status kann sich schnell von „sein“ in „gewesen“ verändern. Ich weiß um das uralte Prinzip von Ursache und Wirkung. Deshalb besteht auch meine Hoffnung darin, dass ich irgendwann meinen Freund, den Aralsee, mit meinem Wasser wiederbeleben kann, so wie ich es, Oxus genannt, tat. In fernen Zeiten ohne den Verursacher Mensch. So leid es mir für Sie tut, meine Herrschaften.

© Wortklauberin 2019-07-23