Gesucht (7)

Jacqueline Kappl

von Jacqueline Kappl

Story

“Konrad”“Hallo Frau Konrad, hier ist die Mama von Leni. Es ist mir etwas unangenehm aber ist Leni eventuell bei ihnen? Wir hatten heute Vormittag einen üblen Streit und ich habe sie seitdem nicht mehr gesehen. Auf ihren Pager reagiert sie nicht und bei Rani hat sie sich heute auch noch nicht gemeldet. Langsam mache ich mir wirklich Sorgen.” “Ach nein, das tut mir aber leid. Nein, bei uns war sie heute auch nicht, aber bleiben Sie doch bitte kurz in der Leitung, ich frag’ mal Luna, ob sie mehr weiß..”

Zur gleichen Zeit, knapp zwanzig Minuten entfernt, sitzt Leni auf einer Parkbank im Stadtpark. Mit dicker Brille und Kaputzenpulli bis tief in die Stirn gezogen verbirgt sie ihr Sein vor der Außenwelt. Völlig ahnungslos von dessen, dass in anderen Teilen der Stadt gerade eine panische Suchaktion nach ihr ausbricht.

Dabei hatte der Tag heute Morgen als die Sonne aufging, all das Potenzial zu einem der schönsten Tage zu werden. Oder einer der besseren, wenigstens. Aus unerklärlichen Gründen jedoch wurde er richtig nervig, und ist zu dem Tag geworden, an dem sich Leni und ihre Mutter zum ersten Mal so heftig stritten, dass Leni nur noch die Flucht aus dem Haus als logisch erschien.

Dabei hätte es gar nicht so weit kommen müssen. Würde ihre Mama sich gelegentlich etwas mehr entspannen und weniger darauf bestehen an einem Sonntagvormittag die Küche aufzuräumen. Vielleicht hätte Leni ihr dann nicht gesagt, wie sehr die Einstellung der Mutter diesbezüglich ihr doch eigentlich stinkt. Wohl auch nicht, wie erbärmlich sie ihre Mutter mit ihrer fehlenden Selbstliebe findet. Sie hätte ihr nicht gesagt, dass sie sich gehen lässt und überhaupt, Papa nicht mit der 25-jährigen Arzthelferin durchgebrannt wäre, wenn sie sich mitunter mehr um sich und weniger um die Küche gekümmert hätte. .

Ja, hätte sie all das nicht gesagt, wäre ihrer Mutter wahrscheinlich daraufhin auch nicht die Hand ausgerutscht. . Leni kann sich nicht daran erinnern, wann ihre Mama jemals die Hand gegen sie erhoben hat.

Sie kann sich auch nicht daran erinnern jemals zu ihrer Mama gesagt zu haben, dass sie sie hasst. Es war das erste, erschreckende Mal.

Dabei stimmt es gar nicht. Die Mama ist für Leni der Fels. Wonder Woman mit Superkräften. Die, bis heute Vormittag immer alles konnte, wusste oder ermöglichte. Da gab es nie Fragen oder Zweifle. Doch heute war es anders. Heute Vormittag war einfach mal alles doof. Und wenn ihre Mama sonst immer alles mitbekam, dass Leni am Morgen schon vollkommen traurig aufgewacht ist, das dann doch nicht. Auch nicht, dass Leni die Nacht mit Alpträumen verbracht hat. Simon, Leni’s erster richtiger Freund, wollte im Traum einfach nicht mehr ihr Freund sein. Und das kam nicht einmal unerwartet. In der richtigen Welt hat Simon auch keine Lust mehr auf Leni. Das spürt sie schon seit einer gefühlten Ewigkeit.

Aber nein, ihrer Mama ist das heute Morgen natürlich nicht aufgefallen, sondern nur, dass Leni schon seit einer Woche nicht mehr abgewaschen hat. .

© Jacqueline Kappl 2023-01-18

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