von Wolfgang Rauh
Dinge zu reparieren und erschaffen ist befriedigend. Es schenkt einem ein Gefühl von Triumph, von Bedeutung, von Zweck. Das sind schöne und erstrebenswerte Seinszustände, vor allem, wenn sie ohne Zerstörung auskommen. Mir fehlt das Bedürfnis, Sachen zu zerstören, ich weiß auch nicht warum. Verweichlichter Waschlappen!, hör ich sie schreien, die Hobby-Wikinger unserer Zeit, und darauf möchte ich mit einem desinteressierten Schulterzucken antworten. Ich kann auch nichts dafür, dass ich eine schöne Kindheit hatte, ist ja nicht mein Verdienst. Schämen brauch ich mich dafür aber auch nicht. Dinge zu erschaffen ist ein wundervoller Vorgang, und man braucht dafür gar keinen göttlichen Kontext herstellen. Wenn man einen Baum fällt, zersägt, hobelt und zu einem Möbelstück wieder zusammenfügt, dann beinhaltet das destruktive und konstruktive Aspekte, und vielleicht liegt darin im Kleinen eine große Menge Wahrheit, über die Kreisläufe von erblühen und vergehen, über erschaffen und hinraffen, ich weiß es nicht. Ich weiß aber, dass im Fällen von Bäumen und ähnlich gefährlichen Tätigkeiten nur jene einen meditativen Kern erkennen, die diese Tätigkeiten nicht selber ausführen. Wer sich beim sägen entspannt, dem fehlt bald eine Hand. Das ist eine Eigenkreation, und keine sehr gute, aber sie trifft den Nagel trotzdem auf den Kopf. Selten hab ich erlebt, dass Leute sich darum bemühten, eins mit dem Universum zu sein, während um sie die Kettensäge röhrte und die Eichen zu Boden donnerten. Fakt ist, wenn der Baum fällt, dann fällt er. Und wenn das Haus im Weg steht kann man nur hoffen, dass keiner drinsitzt, denn zurückhalten kann man auch relativ kleine Bäume nicht, sobald sie aus dem Gleichgewicht sind. Weder mit Willen, noch mit dem Bizeps.
Mit Holz arbeiten scheint absurderweise überhaupt etwas zu sein, das künstlerisch veranlagte Seelen anzieht. Absurd deshalb, weil die romantisierte Vorstellung wenig mit der Realität zu tun hat. Bäume zu fällen und zu verarbeiten ist anstrengend, schmutzig, und gefährlich. Und das nicht nur beim Fällen. Man verzeih mir das bildliche Wortspiel, aber wenn die Kettensäge vom Stamm entgleitet und in den Unterschenkel fährt dann fliegen da die Fetzen. Das ist selten Grund zur Freude. Holz ist schwer, auch das scheint gern vergessen zu werden. Und wenn man den ganzen Tag schuftet wird man gegen Abend hin müde, deshalb passieren auch die meisten Unfälle kurz vor Feierabend, wenn der Kopf noch nicht ganz dort, aber auch nicht mehr ganz hier ist.
Und am nächsten Tag? Wenn die Schmerzen von gestern die Grundlage für die heutigen bilden? Dann bleibt von der entspannten Arbeit an der frischen Luft nur noch die intellektuelle Schablone übrig, die man von der geistigen Couch aus darüber gelegt hat. Aber ist es deshalb furchtbar? Eine schlimme, knechtende Art, seine Tage zu verbringen? Nein. Die Schwielen an den Händen sind genauso verdient wie das Abendessen, und wenn der Schmutz im Abfluss der Brausetasse verschwindet, wie die unblutige Version der berühmten Kameraeinstellung in Hitchcocks Psycho, dann macht auch das stolz. Man hat getan, man hat erschaffen, man hat seine Zeit nicht damit verplempert an die Wand zu starren und sich zu fragen, ob man dagegen hüpfen soll. Das ist schön. Und vielleicht zieht Holzarbeit künstlerische Zeitgenossen deshalb so an: Schreiben ist ein kreativer Akt des Erschaffens. Ein Regal zu bauen ist das auch.
© Wolfgang Rauh 2023-06-12