Gib dem Juristen Zucker

lavoce

von lavoce

Story

Vor vielen Jahren hatte ich das Vergnügen, ein Minibüro mit 4(!) Mannsbildern teilen zu dürfen. Genaugenommen mit vier Juristen (also quasi die verschärfte Version Mannsbild).

Zwei Monate eingepfercht auf 6 Quadratmetern mit einer geballten Ladung Testosteron, das war schon gewöhnungsbedürftig. Es soll auch durchaus selbstbewusste, durchsetzungsfähige Persönchen geben, die nur einmal mit der Wimper zu zucken brauchen, und der Rest der Welt kuscht. Dazu zähle ich definitiv nicht. Und Juristen, auch wenn es sich erst um angehende Rechtsverdreher handelt, sind nun einmal eher nicht für ihre scheue, zurückhaltende Art bekannt. Womit wir fünf wunderbar harmonierten. Um die aufgeheizte Stimmung in unserem Büro etwas abzukühlen, versuchte ich, die werten Herrschaften so wenig wie möglich mit meiner Anwesenheit zu beehren. Was sich als etwas schwierig erwies, da auch mein mir zugewiesener Richter keinerlei Lust hatte, den ganzen Tag mit meiner Visage konfrontiert zu werden. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich mit meinen männlichen Artgenossen zu arrangieren.

Einen Monat lang ist mir das mehr schlecht als recht gelungen. Doch jäh hatte ich eine Eingebung. Es gibt einen wunderbaren Spruch, der lautet: Nur ein glücklicher Ehemann ist ein guter Ehemann. Wieso sollte diese Weisheit nicht auch auf Arbeitskollegen ummünzbar sein? Sprich: Nur glückliche Arbeitskollegen sind gute Arbeitskollegen. Und wie macht man Männer glücklich? Exakt. Da gibt es genau zwei Möglichkeiten. Da die erstere ausschied, entschied ich mich für Option Nummer 2: Essen. Von nun an hatte ich jeden Abend ein Rendezvous mit meinem Minibackofen, mit dem ich zuckersüße Muffins in allen Variationen kreierte. Dass ich gar nicht backen konnte, musste der Backofen (und meine Kollegen) ja nicht wissen. Die etwas zu braun geratenen Küchlein überzog ich mit kiloweise Zucker- und Schokoladeglasur und fertig waren die kleinen Zuckerbomben. Meine lieben Arbeitskollegen staunten nicht schlecht, als ich mit einem Tablett köstlich duftender Backwaren im Büro auftauchte.

„De san oba net für uns, oda?“ „Oba sicha!“ „Host du de bockn?“ „Yep …“ „Echt???“ So ganz trauten sie dem verwoatakelten Gebäck zuerst nicht über den Weg. Hätte ja sein können, dass ich sie vergiften wollte, damit ich das Büro (endlich!) für mich alleine hatte. Ihr braucht gar nicht zu lachen, Juristen denken so. Aber letztendlich siegte dann doch die Gier – wie gesagt, Juristen eben – und sie schlangen mein selbst gebackenes Zeug hinunter wie nix. Mit jedem Bissen wurde ihr Gesichtsausdruck etwas seliger (nein, ich hatte da wirklich nix reingetan) und in ihrem Zuckerschock lächelten sie glücklich vor sich hin. Na bitte. Ging doch. Jetzt konnte auch ich endlich in Ruhe meiner Arbeit nachgehen. Und wie nett und zuvorkommend die jäh alle waren.

Tja, gib dem Juristen Zucker und er wird (fast) menschlich …

(Das ist die namensgebende Story zu meinem neuen Buch „Gib dem Juristen Zucker“. In 17 heiter-ironischen Geschichten wird die Juristerei aufs Korn genommen. Schonungslos, unverblümt und zuweilen urkomisch).

© lavoce 2025-02-25

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Humor& Satire
Stimmung
Komisch
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