Meine Nachbarn Elfi und Georg betreiben ein kleines Gasthaus, dass jetzt – wir kennen alle den Grund – zu ist. Sie sind auch Bauern und haben sich auf Hühnereier spezialisiert. Nicht irgendwelche, sondern solche von „Wanderhühnern“. Ein perfektes zweites Standbein also. Es funktioniert so: Der modernst ausgestattete Hühnerstall ist auf Rädern montiert und wird innerhalb eines eingezäunten Areals täglich ein Stück bewegt. Das sportive Federvieh, welches freien Auslauf hat, folgt einfach. Im Winter steht das Geflügel-Wohnmobil auf einer geschotterten Fläche, solange es die Schneelage erfordert.
Rund 1.100 gackernde Mitarbeiterinnen versorgen nicht nur den Lebensmittelhandel, sondern auch viele Privathaushalte. Würden Hühner Kommunalsteuer zahlen, der Bürgermeister liefe wohl vor lauter Freude im Hühnerkostüm durchs Gemeindeamt. Für das Wohlbefinden der gefiederten Damen sorgen nicht nur reichlich Auslauf und gesundes Futter, sondern auch 50 Gockel.
Ich denke, die Gockel haben mehr Stress als die Legehennen. Immerhin darf jeder von ihnen mehr als 20 Damen „verwöhnen“. Ich entsinne mich eines Liedes, dass meine musikalischen Eltern früher manchmal sangen und dessen Refrain wie folgt lautet: „In der Tenn’ auf der Henn’ sitzt ein Hahn. Fünfzigmal jeden Tag kommt er dran. Fünfzig mal, das ist viel für einen Mann. Aber nicht zu viel für einen Gockelhahn!“
Genug des Gesangs. „Fahr nicht fort, kauf im Ort“, denke ich mir und kaufe also meine Eier in der Nachbarschaft. Von glücklichen, verwöhnten Wanderhühnern. Der Karton á 10 Stück, Größe M/L, Güteklasse A, kostet € 3,50. Ich kaufe manchmal auch für Freunde, die nicht so nahe wohnen. Ich bin also de facto Großabnehmer.
Am Weg zur Trafik halte ich an, um dem an der Außenwand aufgestellten Kühlschrank Eier zu entnehmen und das abgezählte Geld in die kleine Kassa zu werfen. Georg ist grade mit dem Vorbereiten des Hühnerfutters beschäftigt und winkt mir vom Hoftrac herunter zu.
Wir unterhalten uns übers Bücherschreiben. Er habe das auf FB gelesen (mein bester Kumpel nennt es „FotznBiachl“, sorry Mr. Zuckerberg). Er möchte ein Buch und ich krame eins aus dem Kofferraum, signiere es und will es ihm schenken. Georg besteht aber auf Bezahlung und nimmt das Geld aus der Kassa, die ich zuvor gefüttert habe. Ich überschlage, dass mein Buch genau den Gegenwert von 40 Eiern, Größe M/L, Güteklasse A, hat (der Kaufmann in mir macht sich bemerkbar).
Langfristig liegt die Rendite natürlich beim Bauern, denn ein Buch kauft man einmal, Eier braucht man aber ständig. Bei meinem Haushalts-Eierverbrauch von ca. 260 Stück im Jahr müsste ich sechseinhalb Bücher oder etwa 110 Storys schreiben, um das Hühnergelege eintauschen zu können. Bei Einrechnung der Produktionskosten sogar 23 Bücher.
Das ist in Ordnung so, denn im Gasthaus läuft grade kein Bier aus dem Zapfhahn und die Herdplatte bleibt kalt. Ich lebe nicht vom Schreiben, Elfi und Georg aber von der Gast- & Landwirtschaft.
© Klaus P. Achleitner 2021-01-15