von JanGroenhain
Frauen und Schuhe, das können regalfüllende Geschichten sein, die alle Farben und Absatzhöhen spielen. Aber dafür würde der Platz hier nicht ausreichen. Und geschlechtsbedingt fühle ich mich nicht berufen, das hier breitzutreten. Es geht heute um Männer und Schuhe. Ja, auch dieses oft unbeachtete Genre gibt es!
Besaß ich in meiner Kindheit nur drei Paar Schuhe, so hat sich das Reservoir an Fußbekleidung bis heute vervielfacht. Für jeden erdenklichen Zweck braucht auch Mann heute eine spezifische Fußbereifung. Büro, Freizeit, Sport, Berg, Indoor, Outdoor oder formeller Anlass. Glattbesohlt, profiliert, geschnürt, geslippt oder sandaliert. Das ergibt eine ausgetretene Kollektion. Ein Schuhfreak bin ich nicht und auch kein Modeguru. Bequem und langlebig müssen sie sein, die Treter, und nicht nach einem Jahr Sohlenablösungen zeigen.
Waren vor Jahrzehnten dunkle Lederschuhe abseits von Sport und Freizeit Standard, so kommen auch bei mir heute meist Sneakers („Turnschuhe“ zu sagen ist ja verpönt) an den Fuß. In braun, beige oder blau gibt es sie bei mir, teilweise mit integrierter Klimaanlage. Das geht gut im Büro und im beruflichen Umgang.
Seit einigen Jahren ist ein Trend zu beobachten. Weiße Turnschuhe, pardon Sneakers, latschen vermehrt mit ihren Trägern herum. Da meine ich nicht auf dem Sportplatz. Und auch nicht spezifisch bei der Jugend. Dort wie da ist oder sollte ja fast alles erlaubt sein. Nein, es geht um Männer mit 40+, die meist im engen Slimfit-Outfit herumstelzen und sich unten ganz in weiß geben. Oft und immer öfter sind das pensionierte Sportler oder Moderatoren, die im TV ihre „Weiß“heiten von sich geben oder schlaue Fragen stellen. „Ich fühle mich jünger und sportlicher, ich bin cool und dynamischer als meine Alterskollegen, ich hab`s drauf“, ist hier die Fußbotschaft.
Dann sind da Start-Up- und Digital-Unternehmer oder Berater. Das sind jene, die mit einer tollen neuen Geschäftsidee eine Firma gründen und damit schnell wachsen wollen. Die müssen vermitteln, anders, flott, unorthodox, auf jeden Fall unangepasst zu sein. Aber nachdem in diesen Kreisen die weißen Sneakers mittlerweile Standard sind, merken die gar nicht, dass sie damit bereits Establishment sind. Und dann die Politiker. Auch in diesem Metier werden Weißschuhexemplare gesichtet. „Ich bin modern, selbstbewusst, unangepasst, aber Schmutz gehe ich aus dem Weg“, ist hier die Trittaussage.
Und das ist genau die Crux mit diesen Dingern. Wenn man sie nicht nur im Labor oder Büro trägt, werden sie unweigerlich dreckig. Und der Anschein der sauberen Unschuld wird ramponiert. Deswegen gibt es schon vielerlei Anleitungen, wie man dieses Schuhwerk pflegen sollte, damit der Schein gewahrt bleibt. Mit Schwamm, Shampoo, Zahnpasta oder Backpulver soll man da zu Werke gehen.
Da ich dem Dreck nicht aus dem Weg gehe, kein Unschuldslamm bin und die Putzerei mir zu mühsam wäre, hat diese weiße Fußbereifung bei mir keine Chance. Da trage ich lieber meine grasgrünen Waldviertler.
© JanGroenhain 2022-05-12