Gläsernes Gelächter

AnWi

von AnWi

Story
Auf dem Mittellandkanal

Teil 1:
Die Bierflasche in der Ecke der Kajüte lacht mich gehässig aus. Mühselig versuche ich mich von ihr abzulenken und wende den Blick überallhin, nur von ihr weg. Ich betrachte den Holzboden und das kleine Bettgestell. Die Dachluke, aus der es tropft, die leicht pendelnde Glühbirne, welche an einem Kabel an der Decke befestigt worden ist und als Lampe dienen würde, wäre sie beim letzten Sturm nicht so heftig gegen die Decke geschleudert worden, dass sich Riese in ihrem Glas wie dünne Fäden entlang der Oberfläche schlängeln. Jetzt sieht sie aus wie ein Klumpen Kristall, der droht bei der minimalsten Berührung in kleinste Einzelteilchen zu zerbersten. Sie hängt leicht schief, fällt mir auf. Und mir fällt auch auf, dass mein Kopf, den ich vor Erschöpfung schräg an die Wand gelehnt habe, sich mit dieser Glühbirne vergleichen lässt. Er dröhnt vor Anstrengung zu denken und schmerzt vor Anstrengung zu halten. Auch er wurde durch einen Sturm gejagt und die Erinnerung daran ist schemenhaft und unwirklich. Allein das unablässige Hämmern, in meinem Schädel, beantwortet mir immer wieder die Frage, ob das, was einzelne Erinnerungsstücke versuchen, mir wahrzumachen, überhaupt der Wirklichkeit entspricht. Wieder lasse ich die Augen auf der Flasche verharren. Ich spüre das Pochen dort, wo sie mich getroffen haben muss. Ein Hinterhalt. Warm läuft es mir den Rücken herunter, warm und salzig aus beiden Augen. Mir ist kalt am ganzen Körper. Erst jetzt bemerke ich das Beben, das ihn erfüllt. Ein ständiges Zittern. Schübe, die im Schenkel beginnen, wenn die Muskeln sich abwechselnd verkrampfen und zusammenziehen und sich dann wieder lockern und weiten. So sitze ich hier und zitter vor mich hin. Mein Schädel dem Platzen nahe, eine Flasche in der Ecke, die mich auslacht. Und plötzlich kann ich es hören.

Ich vernehme lautstark, wie sie dort steht und lacht und es ihr guttut und sie gar nicht aufhören kann und ihr tiefes raues lachen erklingt männlich und weit über mir und dann verstehe ich, dass es nicht die Flasche ist, die mich verspottet und recke den Kopf so gut ich kann und so weit es das Stechen in seinem Inneren zulässt. Der Raum wirkt viel größer und ich viel kleiner, während ich den Stämmigen über mir mit müdem Blick aus meiner unvorteilhaften Position heraus anstarre. Er ist schwarzhaarig auf dem Haupt und am Kinn. Seine Bartstoppeln ragen kreuz und quer aus seiner Haut, als würde er sie mehrmals am Tag hastig durchstreichen. Spitze Kanten umrahmen das Gesicht mit den tiefen, dunklen Augen und dem breiten Kiefer. Er wirkt auch im Großen und Ganzen ziemlich breit und beängstigend bösartig, ein schwarzes T-Shirt spannt an seinem Oberkörper, dabei muss es mindestens dreimal so groß sein wie meines. Als er meinen Blick bemerkt, erwidert er ihn und schaut triumphierend auf mich herunter. “Na? Wie geht es uns?“


© AnWi 2024-03-23

Genres
Romane & Erzählungen, Spannung & Horror
Stimmung
Herausfordernd, Dunkel, Emotional, Angespannt
Hashtags