von Gerhard Hirschl
Damals, im Physikunterricht haben wir es gehört. Symbolisiert wurde es mit einer Kugel, welche in einer Schale liegt, oder auf einem ebenen Tisch welcher zudem waagerecht stehen sollte. Oder die Kugel balancierte auf einer Kuppel. So klar war die Darstellung, dass sofort die drei Begriffe in der Erinnerung Auftauchen: stabil, indifferent, labil.
Immer wieder sind mir diese Zustände begegnet. Eine Grube ausheben, um einer Sache festen Stand zu geben (stabil). Oder etwas einfach wohin zu legen, oft in der Sorge, dass es wegrollen könnte (indifferent). Es ist mir auch noch spannender begegnet: Ein Hubschrauber, welcher ständig gesteuert werden muss, damit er nicht von seinem Luftpolster in irgend einer Richtung hinunterkippt.
Nun, ist es nicht so, das ein kleines Kind stabil in seinem Bett oder einer Wiege liegt? Es lässt erahnen, wie die Toten einmal liegen werden. Im Grab, in einer Gruft – stabiler geht es nicht!
Dazwischen, und das ist das Schöne, gibt es so viel Anderes. Oft geht das Leben gerade aus. Es gibt viele Richtungen. Keine Richtung ist richtig, keine ist falsch. Das eigene Ansinnen, nichts anderes zählt. Hier muss Aufwand getrieben werden, um den Wunsch zu erkennen. Es ist fast wie beim labilen Gleichgewicht.
Nun nicht indifferent, sondern labil! Alles zerrt am Menschen. Nichts hält mich oben, alles muss beachtet werden, um die Position zu halten. Die Familie, die Gesellschaft, Umwelt, Wirtschaft, Technik – was auch immer. Wann ist Zeit, sich Überblick zu verschaffen? Dabei wäre doch gerade jetzt, von dieser Position aus der richtige Augenblick. Gibt es die Möglichkeit, nur eine kurze Weile loszulassen? Wenn ich jetzt loslasse, bin ich in einer Art Schwerelosigkeit. *1) Ich treibe zwar weiß Gott wohin, doch die Aufgabe des verbissenen Kampfes, bietet der Aufmerksamkeit ein neues Betätigungsfeld. Erkennen, wohin die Reise ohne mein Zutun geht. Hinterfragen, ob diese Richtung nicht doch Vorteile für mich hat. Suchen nach einem neuen Halt, einem neuen Angelpunkt um effizienter meinen Wünschen gerecht zu werden.
Wo sind dabei meine Empfindungen? Wo sind Mut, Angst, oder einfach Zuversicht? Wo sind Liebe, Hass oder einfach Ausgewogenheit, nicht zu sagen Gleichgültigkeit?
Das alles fällt gerade zum Jahreswechsel besonders auf, und wäre auch während des Jahres ein guter Wechselschritt.
Zwischenruf:
1) In der Schwerelosigkeit gibt es kein Gewicht, und also auch kein Gleichgewicht. Sagte einmal ein allzu Schlauer: Weg mit der Schwerkraft – her mit dem Leichtsinn!
© Gerhard Hirschl 2021-12-31