„Im Grunewald, im Grunewald ist Holzauktion, ist Holzauktion“ – ein Berliner Gassenhauer als Volkstanz – Rheinländer – komponiert, der ab 1892 breite Resonanz erfuhr. Zunächst hatte das Lied keinen Text. Erst später kamen viele Strophen hinzu – immer unterbrochen von einem Refrain, der ins Ohr ging: „Links um die Ecke rum, rechts um die Ecke rum, überall ist große Holzauktion“.
Der Grunewald ist ein Naherholungsgebiet in Berlin. Als Bismarck für Berlin eine Prachtstraße plante, entschied man sich, einen 1542 als Dammweg vom Berliner Stadtschloss zum Jagdschloss Grunewald angelegten Reitweg (für Kurfürst Joachim II) zu einer Straße umzubauen. Die ursprünglich geplante Breite von 25m ließ er durch Kabinettsorder auf 53m festlegen und nannte die Straße Kurfürstendamm.
Das war gleichzeitig der Startschuss zur Anlage der Villenkolonie „Grunewald”, mit deren Ausbau 1890 am westlichen Ende des Kurfürstendamms (Ku-Damm) begonnen wurde. Knapp 250 h Wald wurden dafür gerodet und das Holz – auf Holzauktionen – zu niedrigen Preisen verkauft. So entstand die Siedlung „Grunewald” für reiche und betuchte Berliner, die in einer Villengegend wohnen konnten, gleichzeitig aber auch über den „Ku-Damm” mit der Innenstadt und den Geschäftszentren verbunden waren.
Schon 1873 beschloss das königliche Kabinett, die Gleisanlage des (heutigen) Bahnhofs Grunewald an die militärisch wichtige Wetzlarer Bahn, einem Teil der sogenannten „Kanonenbahn“ anzuschließen. Der Bahnhof hieß zuerst „Hundekehle” (entsprechend einem Flurstück in der Nähe). Elf Jahre später wurde er in Bahnhof „Grunewald” umbenannt. Schließlich erhielt der Bahnhof 1899 ein repräsentatives Empfangsgebäude: Ein verputzter Ziegelbau aus Sandstein ähnelte einem Burgtor, über dem ein Flügelrad wie ein Wappen prangte.
Im Holocaust erlangte der Bahnhof seine grausige Berühmtheit. Am 18. Oktober 1941 begann die systematische Deportation der Juden aus Berlin. Der erste Deportationszug verließ den Bahnhof Grunewald mit 1013 Juden. Bis 1945 wurden aus Berlin über 50.000 Juden deportiert – zunächst hauptsächlich nach Łódź, Riga und Warschau, später nur in die VernichtungslagerAuschwitz-Birkenau und Theresienstadt. Allein in die „Todesfabrik Auschwitz“ fuhren vom Bahnhof Grunewald etwa 35 Züge mit 17.000 Juden ab.
Es war das Gleis 17, von dem die Deportationen abfuhren.
Die Rolle der Deutschen Reichsbahn im Holocaust blieb lange unbeachtet. Erst in den 80er und 90er Jahren wurden hier Mahnmale errichtet.
In Grunewald besteht das Mahnmal aus in den Bahnschotter eingelassenen 186 Stahlgussplatten, auf denen in chronologischer Reihenfolge Datum, Anzahl der deportierten Juden und deren Bestimmungsort vermerkt sind. Zum Bestandteil des Mahnmals gehört auch die Vegetation zwischen den Schienen: Symbol dafür, dass von diesem Gleis nie wieder ein Zug den Bahnhof verlassen wird.
Das Mahnmal „Gleis 17” wurde am 27. Januar 1998 eingeweiht.
© Heinz-Dieter Brandt 2021-01-27