Glück im Unglück

Dagmar Lücke-Neumann

von Dagmar Lücke-Neumann

Story
Hamburg, Deutschland und Bünde, Nordrhein-Westfalen, Deutschland 1938

Warte einen Moment, Liebling! Frau Josphi stellt sich der Tochter in den Weg und gibt zu bedenken, dass sie sich unnötig der Gefahr aussetzen könne. Glaubst du, dass es vernünftig ist, das Kind zurückzulassen und mir die Verantwortung zu übertragen? Oder möchtest du es auf eine höchst gefährliche Reise mitnehmen? Niemand weiß, was draußen auf euch wartet. Außerdem seid ihr in einer großen Stadt sicherer als in einem solch kleinen Ort, in dem jeder jeden kennt. Bleib! Gemeinsam werden wir sicher sein. Während die geliebte Oma mit der Mutter um Vernunft ringt, befindet sich Mirjam in einem Raum neben der Küche. Man hat sie zum Spielen geschickt. Als wenn sie dazu Lust gehabt hätte. Das sensible Kind spürt sehr genau, dass etwas passiert sein muss. Wie immer wollen die Erwachsenen alles von ihr fernhalten. Wissbegierig wie sie ist drückt sie ein Ohr an die Tür, um ein wenig von der Aufregung mitzubekommen. Die Worte der Großmutter zeigen Wirkung. Fanny überlegt. Vielleicht gelang es Julius, Bünde zu verlassen und zu ihnen nach Hamburg zu kommen?

Als es Abend wird, macht sie sich auf den Weg zum nahen Bahnhof. Sie weiß, wann die Züge aus Bünde ankommen. Ihre Schwägerin Hanna begleitet sie. Aus sicherer Nähe beobachten sie den Ausgang des Bahnhofs. Als eine von Menschen gefüllte Straßenbahn die beiden Frauen passiert staunen sie nicht schlecht. Auf dem Trittbrett eines Wagens steht Julius Spiegel. Mit sehr viel Glück war es ihm gelungen, ein Zugticket zu erwerben und der Verfolgung in Bünde zu entkommen. Fanny und Hanna geben sich nicht zu erkennen. Kurze Zeit später treffen sich alle in der Wohnung ihrer Eltern. Dort erfahren sie, welchen Gefahren Julius entkommen konnte. Bevor sie Deutschland verlassen und einen Neuanfang in den USA wagen, fährt die junge Familie ein letztes Mal in die kleine Stadt Bünde. Julius Spiegel hat sein Geschäft längst verkauft. Es ist dem neuen Besitzer zu verdanken, dass ihre persönlichen Dinge nicht zerstört oder entwendet wurden. Der Mann gab alles als sein Eigentum aus. Der Vernunft dieses Bürgers ist es zu verdanken, dass die Familie Spiegel ein paar persönliche Dinge packen und mit auf die Reise über den großen Teich nehmen kann.


 


 


 


 


 


 


© Dagmar Lücke-Neumann 2024-12-10

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Dunkel, Emotional, Informativ