Glück und Terror

loislane

von loislane

Story

Meine Mutter habe ich zuletzt am 07. März gesehen. Nach dem Lockdown ist sie in ihr Sommerhaus aufs Land geflüchtet und erst seit ein paar Tagen zurück in der Stadt.

Gestern unser erstes Wiedersehen. Auf meinen Geburtstag anstossen. Der letzte freie Abend vor dem nächsten Lockdown. Ein gemeinsames Abendessen, fröhliches plaudern und fast verpassen wir rechtzeitig ins Konzerthaus zu gehen.

Ein letztes Konzert. Gemeinsame Zeit. Martin Grubinger – so ein Glück, dass er an diesem Abend zweimal spielt, damit alle die Karten haben, in den Genuss kommen.

Die letzte Zugabe ein Stück von Bach. Als Einstimmung für die stille Zeit die uns jetzt bevorsteht. So leise, dass man es fast nicht hört. Mit ganz feinen Händen entlockt er dem riesen Instrument eine Zartheit die mich berührt. Die letzte Note schwebt noch über unseren Köpfen, er nimmt das Mikrofon und sagt klar und unaufgeregt, dass gerade ein Terroranschlag in Wien verübt wurde und er uns bittet zu bleiben. Er wusste es schon als er für uns gespielt hat.

Kein Ton. Die Stille schwebt noch weiter – Terror ist nicht still. Das Wort tut weh.

Rundherum schauen die Leute in ihre Smartphones. Meines hat fast keinen Akku mehr. Ich beobachte ihre Gesichter. Meine Mutter gefasst, mit 82 hat sie schon viel erlebt.

Der für diesen Abend zuständige junge Polizist wächst an diesem Abend in seine Uniform. Das ist keine Übung, das ist jetzt Realität.

Die WEGA-Beamten eskortieren uns zur nächsten U-Bahn-Station. Über uns der volle Mond und Hubschrauber.

Wir kommen sicher nach Hause und dann fließen auch die angespanntenTränen.

© loislane 2020-11-03

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