Glücklich in Wien

Ulrike Puckmayr-Pfeifer

von Ulrike Puckmayr-Pfeifer

Story

Geboren und aufgewachsen bin ich in einem Dorf am Neusiedler See. Meine Eltern fuhren ein paar Mal im Jahr nach Wien, um einzukaufen. An diesen Tagen blieb ich mit meiner Großmutter allein im Haus. Das war sehr langweilig für mich. Die Zeit dehnte sich in eine unerträgliche Länge. Ich sehnte den Abend herbei, an dem meine Eltern wiederkommen sollten. Und natürlich hoffte ich auf ein Geschenk.

Als ich fünf oder sechs Jahre alt war, nahmen sie mich mit. Es wurde ein aufregender Tag für mich. Die Freude war groß. Der Autobus hielt in Naschmarktnähe in der Operngasse. Ich erinnere mich heute noch genau an das Lokal, in dem wir frühstückten.

Dann gingen wir über den Getreidemarkt zur Mariahilferstraße. Beim Herzmansky trennten sich unsere Wege. Meine Mutter und ich betraten das große Kaufhaus. Mein Vater ging in das gegenüberliegende Schäferkino, in dem nonstop Sexfilme gezeigt wurden. Zum Mittagessen wollten wir uns in der goldenen Glocke, einem Lokal in der Neubaugasse, treffen.

Das Einkaufen beim Herzmansky war nicht so spannend für mich. Da gab es Wühltische mit billiger Ware, an denen meine Mutter unendlich viel Zeit verbrachte. Gelangweilt stand ich daneben. Sie hatte Parfümfläschchen mit, die nachgefüllt werden konnten. Noch heute sehe ich die zahlreichen großen Behälter mit den gelbbraunen Flüssigkeiten vor mir.

Endlich wurde es Mittag und unser Weg führte uns die Mariahilferstraße entlang zur Neubaugasse in die goldene Glocke, ein Gasthaus mit ölgeschwärztem Boden und dem typischen Wirtshausgeruch. Dort trafen wir mit unserem Familienoberhaupt zusammen. Es wurde zu Mittag gegessen. Meine Mutter und ich meist Wiener Schnitzel, mein Vater Gulasch. Dazu zwei Achtel Wein für meinen Vater. Fanta oder Almdudler für mich und meine Mutter. Den Wirtshausgeruch habe ich noch heute als Erinnerungsspur in meiner Nase. Und es war verraucht. Auch mein Vater rauchte vor und nach dem Essen eine Zigarette.

Aber ich fühlte mich glücklich, wenn die kleine Familie so harmonisch und gemütlich zusammen saß. War ja keine Selbstverständlichkeit. Die Unstimmigkeiten am häuslichen Esstisch waren in meinem Hinterkopf immer noch präsent. Ich genoss den Frieden, den ehelichen Waffenstillstand.

Danach gingen wir zu Fuß wieder zurück zur Operngasse. Am Naschmarkt wurden noch von meinem Vater Delikatessen gekauft. Ein geräucherter Bückling, Salami und stinkender Quargel gehörten unbedingt dazu. Dann war es Zeit für die Heimfahrt. Bepackt mit zahlreichen Sackerln stiegen wir in den Autobus und bewegten uns wieder von der Stadt weg auf das Land.

Ich sah beim Fenster hinaus und entdeckte an den mehrstöckigen Häusern seltsame Löcher. Ich fragte, was das wäre. Sie sagten mir, das wären Einschusslöcher aus dem 2. Weltkrieg. Da tauchten schreckliche Bilder in mir auf und trübten meine Freude über den Wienausflug. Gleichzeitig war ich froh, dass dieser schreckliche Krieg lange vorbei war, und ich in einer Zeit des Friedens leben durfte.

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© Ulrike Puckmayr-Pfeifer 2020-11-05

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