von Sonja M. Winkler
Ich bin am Vortag angereist und logiere in der zentral gelegenen „Stadtoase“. Da der Festakt erst um 10 Uhr stattfindet, nütz ich die Zeit und schlendere durch die Linzer Altstadt. Der Himmel ist strahlend blau. An der Fassade des Hauses Hofgasse 23 entnehm ich der Gedenktafel, dass das Gebäude einmal die Deutsche Normalschule beherbergte, wo Präparandenkurse zur Lehrerausbildung abgehalten wurden. Der bekannteste Absolvent, der die Anstalt 1841 als sogenannter Schulgehilfe verließ, war Anton Bruckner.
Auf dem Platz vor der Minoritenkirche seh ich zwei meiner ehemaligen Klassenkolleginnen stehen, eine im Dirndl, die andere in einem lachsfarbenen Seidenkostüm. Mein Outfit liegt irgendwo dazwischen, aber für alle Fälle hab ich die Perlenkette angelegt, Erbstück meiner Mutter. Ich wink den beiden zu. Die Begrüßung ist herzlich. Wir werden nur zu zehnt sein, sagt H. Immerhin ein Drittel, sagt M.
Um 9 beginnt der Gottesdienst. In der Predigt geht der Priester auf den Anlass der bevorstehenden Feier ein und lässt 50 Jahre Weltgeschehen im Schnelldurchlauf Revue passieren, mithilfe von Google und einem Schummelzettel ein Klacks. Nach der Messe strömt alles in den Steinernen Saal des Landhauses, wo der Festakt stattfindet. Die ersten Reihen sind fürs Hamerling-Gymnasium reserviert. Wir sind vollzählig, nur S. fehlt. Ein WhatsApp geht ein, ihr sei die Bim vor der Nase davongefahren, sie nehme ein Taxi. Tja, die Öffis in Linz haben lange Intervalle. In Linz beginnt’s, und Wien ist anders.
Der Saal füllt sich. Auch der Lärmpegel steigt. Die Goldenen Maturant:innen sind geschwätzig, und die musikalische Untermalung geht völlig unter. Die Sängerin gibt Hits der 70er-Jahre zum Besten. Erst bei „Baby, I’d love you to want me“ verstummen die Gespräche.
Der Landeshauptmann Thomas Stelzer tritt vors Mikrofon und sagt, 1973 sei auch ihm noch gut erinnerlich, da habe er mit der Volksschule begonnen. Seksafuchzk isa, raunt mir meine Sitznachbarin, pensionierte Volksschullehrerin, ins Ohr. Dass a jinga is, des siacht ma, flüstere ich zurück. Stelzer betont, dass sich Linz als Universitätsstandort gemausert hat. Nach der Matura gingen die meisten meiner Klasse nach Wien oder Salzburg zum Studieren. Die paar, die in Linz blieben, studierten BWL oder Ähnliches, denn die Auswahl der Studienfächer war begrenzt. Sie unterrichteten später an der HAK Rechnungswesen und Textverarbeitung. Aber jetzt, sagt Stelzer, jetzt gebe es sogar eine Medizin-Uni.
Nach der Ansprache stehen wir alle auf und singen die oberösterreichische Landeshymne, Hoamatland, Hoamatland, han di so gern. Meine Textsicherheit reicht für drei Strophen. Danach begeben wir uns klassenweise zum Podium. Der Fotograf rückt uns zurecht, wir zeigen uns von der besten Seite und lächeln. Klick. Stelzer schüttelt uns allen die Hand.
Danach folgt der letzte Programmpunkt, die Bewirtung. Da mehr Gäste zum Festessen erschienen sind, als angekündigt waren, fehlen nun Tische. Für uns werden zwei zusätzliche in den Saal geschoben und in Windeseile gedeckt.
© Sonja M. Winkler 2023-06-14