von Anna Uano
Ich konnte nicht fassen, was hier gerade passierte. Die Welt schien für einen Moment aufhören sich zu drehen. Jedes noch so kleine, vertraute Geräusch in meiner Küche war fort. Es war kein Rauschen der Spülmaschine im Hintergrund zu hören und auch kein Surren der Lüftungsanlage. Ein einziges, großes nichts. Ein vorsichtiges, hoffnungsvolles Räuspern entwich meiner Kehle und doch war nichts zu hören. Ich starrte auf mein Handy, als könnte ich es mit reiner Willenskraft dazu zwingen, die Töne in die Welt zurückzubringen. Was logischerweise nicht geschah. Mir war, als würde sich eine Schlinge um meinen Hals legen. Alles schien auf einmal ungewiss. Wie sollte ich mich so mit Emma versöhnen? Wie sollte ich so mein Café eröffnen? Wie sollte ich überhaupt so leben? Meine Worte waren doch alles, was ich hatte.
Meine Finger zitterten und ich musste mich erst einmal setzen. Ratlos blickte ich mich im Raum um. Noch war er halb leer. Die Eröffnung war nur noch drei Wochen entfernt. Es wurde Zeit, ihn endlich mit liebevoller Atmosphäre zu füllen. Wenn ich meine Augen schloss, sah ich genau vor mir, was noch fehlte. In meine Aufregung mischte sich Vorfreude bei dem Gedanken daran, wie ich die ersten Gäste willkommen heißen würde. Was, wenn ich den Rest einfach ganz alleine entscheiden würde? Ein klein wenig kam ich mir wie eine Rebellin vor. Doch das Flattern in meinem Bauch zeigte mir, dass es ein guter Plan war. Und ich würde mich nicht einmal rechtfertigen müssen, denn Reden war im Moment ja nicht möglich. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, so wie der nächste Gedanke in meinen Kopf. Ich würde eine „Generalprobe“ machen, mit all meinen Liebsten. Als Erstes kam mir da natürlich Emma in den Sinn. Ohne weitere Zeit verstreichen zu lassen, lief ich im Stechschritt nach Hause, blindlings, ohne auf die stillen Straßen zu achten, die an mir vorbeizogen. Dort angekommen begann ich mit den handgefertigten Einladungen zur „Testöffnung“ meines kleinen Cafés. Seltsamerweise musste ich nicht mehr überlegen, welchen Namen ich angab- es war ganz klar, dass wir uns in „Leni`s Winterlounge“ treffen würden. Nachdem ich meine engste Familie, Emma und einige meiner anderen Freunde eingeladen hatte, war noch eine Karte übrig. Ich zögerte. Für einen kurzen Moment hatte ich daran gedacht, Maik dazu zu bitten, doch ich war mir nicht sicher, ob es nicht zu früh dafür war. Allerdings flatterten die Schmetterlinge durch meine Magengegend, sobald ich an ihn dachte. „Was soll`s“ dachte ich mutig bei mir und versah alle Karten mit Briefmarken. Außer Emmas und Maiks. Meiner besten Freundin wollte ich sie persönlich überreichen und Maiks Adresse kannte ich nicht. Ich würde ihn sicherlich an der Eisbahn treffen.
Aber bevor ich die beiden speziellen Einladungen überbringen würde, gab es noch einiges zu tun. Zu aller erst musste ich shoppen gehen. „Vielleicht“, dachte ich bei mir, wäre es schön, Emma dabeizuhaben. Es fühlte sich einfach richtig an, einen Schritt auf sie zuzugehen. Und insgeheim dachte ich, konnte auch kein neuer Streit zwischen uns entstehen, jetzt wo die Welt so still war. Wir hatten die Möglichkeit uns gegenseitig einfach nur zu begleiten. Ohne zu urteilen ohne Worte falsch zu deuten. Mein Herz wurde so leicht wie eine Feder. Es war höchste Zeit aufzubrechen.
© Anna Uano 2024-12-16