good girl gone bad

Luna Winkler

von Luna Winkler

Story

Mit penibler Feinarbeit lasse ich den Pinsel ĂĽber mein Gesicht tanzen. Hier noch ein Strich, da noch ein wenig mehr von dem Puder, das Spiel geht so lange, bis ich meine Hand sinken lasse, zufrieden mein GegenĂĽber betrachte.

Eine blasse Gestalt mit roten Schlieren unter den Augen und einem breiten, schäbigen Grinsen auf den schwarz-weiß gesäumten Lippen blickt mir entgegen. In ihren Augen steht die pure Lust in Großbuchstaben geschrieben. Dunkles Blut tropft auf meinen übergroßen Pulli, es rinnt aus beiden meiner spröden Mundwinkel und auch über meinem rechten Augenlid läuft es schmale Bahnen. Die Wunde, sie erstreckt sich quer über meine eine Gesichtshälfte, ihr klaffender Riss wurde nur notdürftig mit dünnem Garren geflickt.

Meine Seele schreit. Doch mein Kopf suhlt sich in diesem Anblick, er genießt ihn zutiefst und scheint nicht genug von ihm zu kriegen, greift mit gierigen Händen nach dieser Vorstellung des Grauens und möchte eins mit ihr werden. Sie aufsaugen, sie verinnerlichen, mit ihr verschmelzen. Mit dieser erbosten Gestalt eins werden.

Die Geschichte von Jekyll und Hyde hat ihm gefallen — gar so arg, dass er sie nachahmen möchte.

„Gut siehst du aus.“

Ich nicke, mein Lächeln wird noch ein klein wenig scheeler, als ich das Bandana um meine pochende Stirn lege und einen festen Knoten in dessen Ende jage. Gut sieht sie aus. Diese leichenbleiche Hülle, ihr Inneres hat sich in das letzte Eck des Herzens verkrochen und wartet dort auf die Erlösung, falls es auf eine solche zu hoffen gilt.

Der Boden unter meinen Füßen vibriert, der Bass hämmert lautstark von unten her durch meine Glieder und im Kopf tanzen die Gedanken zu dem Beat, werfen ihre Arme nach oben und schmiegen sich in der alkoholgeschwängerten Luft aneinander. So soll es sein. Halloween. Aus dem Alter der alljährlichen Süßigkeitenjagd ist man draußen, jetzt ist der Tag vor Allerheiligen nur noch ein guter Grund zum feiern. Sich bis zum Rand volllaufen lassen und kotzen gehen. Weitersaufen.

Lächelnd lehne ich ab. Nein, nein, lass mal, ich glaube das wird nichts. Nene, ich will euch keine Umstände machen. Hör schon auf, ich würde sicher nur stören, ja, ganz bestimmt.

Die Ausreden vielfältig. Der Grund immer derselbe. Doch als ich mir meine Jacke überwerfe, die Tür hinter mir ins Schloss fallen lasse und über die Schwelle trete, da wird es mir bewusst.

Da stehe ich nun. Im Laternenlicht, das ĂĽber den menschenleeren Vorhof flutet und in dessen weiten, langen Schatten ich verweile. Mein Grinsen ist nicht zu verdecken, nicht zu ĂĽbersehen, als einziges auszumachen in dem von der Kapuze entstellten, bleichen Gesicht. Meine Brust, erfĂĽllt von Gier und Machtstreben.

„Good girl gone bad.“, meldet der Kopf johlend. Die Seele flucht, verstummt jedoch, als die Hand der Lust ihr aufs blutige Maul schlägt.

Sie, bewusstlos in der Ecke liegend. Es, bereit zu handeln.

© Luna Winkler 2021-10-31

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