Good News.

Franz Brunner

von Franz Brunner

Story
Steyr 2025

Ich mag nicht mehr. Ich mag nichts mehr lesen und schreiben, was mich bedrückt. Ich verweigere Gedanken über Dinge, die ich nicht beeinflussen kann. Ich kann den Ukrainern nicht mehr helfen, also ich ohnehin schon mache, ich kann den Amerikanern mit ihrem irrwitzigen Blondl nicht helfen – wenn denen überhaupt zu helfen ist – und kann manchen anderen noch viel weniger helfen. Es überfordert mich. Love it, change it or leave it. Nur zu letzterem sehe ich mich einigermaßen imstande. Zumindest geistig, so habe ich beschlossen, werde ich heute dieses Chaos aus negativen Schlagzeilen und Einflüssen verlassen. Ich lege hiermit fest, dass heute ein guter Tag für einen guten Tag ist. Und an diesem hervorragenden Tag beschäftige ich mich ausschließlich mit positiven, mit angenehmen Dingen. Und surfe daher ergebnisoffen und lustvoll auf der ORF-Science-Seite. Affen können jodeln. Ja, Forscher haben festgestellt, dass Kapuzineräffchen im bolivianischen Urwald sich auf ebendiese Weise unterhalten können. Wir sind nicht mehr darauf angewiesen, dass wir unseren nahestehenden Verwandten durch die Glasscheibe zuwinken und Grimassen schneiden, nein, wir können jetzt von Angesicht zu Angesicht, quasi auf Augenhöhe und Tonhöhe kommunizieren, auch inhaltlich. Gut, das praktiziert der in Bierzelten beheimatete Homo sapiens schon länger, aber jetzt geht’s auch mit den Affen. Und das war’s noch nicht, auf derselben Seite wird berichtet, dass Bonobos – eine Schimpansenart, deren DNA zu 98,7 % mit unserer ident ist – dass also Bonobos sogar komplexe Lautfolgen erzeugen können, die menschlichen Wortkombinationen sehr ähnlich sind. Die Forscher haben sogar begonnen, ein Bonobo-Wörterbuch zu erstellen. Eine kluge Idee, der Duden interessiert ohnehin die wenigsten, überfordert die Menschen zusehends. Woher ich das weiß? Ich bin in den letzten Tagen einige Male mit Öffis gefahren und wurde Ohrenzeuge beeindruckender Kommunikation. Manche Mitmenschen sollten wirklich noch einmal von vorne beginnen, vielleicht mithilfe des Bonobo-Wörterbuches. Bebildert natürlich.

Ach, wie ich mich freue, die ersten guten Nachrichten zeigen Wirkung, ein leichtes Stimmungshoch kündigt sich an. Weiter geht’s mit den Kamelen und einer äußerst beruhigenden Nachricht: Der Klimawandel hat nicht nur negative Seiten. Lamas und Alpakas in Europa. An diesen Anblick haben wir uns ja längst gewöhnt, Hausschuhe und Winterjacken aus Alpaka-Wolle sind ja aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, doch da kommt noch Größeres auf uns zu: die Kamele. Ja, Forscher haben herausgefunden, dass die klimatischen Bedingungen für diese Spezies auch in unseren Breiten bald passen werden, Kamele und Dromedare könnten in absehbarer Zukunft bei uns heimisch sein. Wir wären nicht länger gezwungen, in den Oman oder sonstige Wüstengebiete zu fliegen und die Atmosphäre mit CO2 zu versauen, nur um auf den stolzen Tieren über die Dünen zu wackeln, nein, die Wüstenschiffe grasen bald direkt vor unserer Haustür. Rausgehen – aufsteigen – eine Runde um den Häuserblock, ohne Abgase. Ein herrliches Szenario. Gut, das mit dem Grasen wird vielleicht ein Problem, weil’s immer trockener und sandiger wird, aber wir haben ja auch mit dem Carsharing gute Erfahrungen gemacht. Camelsharing is the future. Ach, war das ein schöner Ausflug in die Welt der Wissenschaft, garniert mit unglaublich erbaulichen Nachrichten. Es geht mir bereits deutlich besser – Blondl hin oder her.

© Franz Brunner 2025-04-04

Genres
Humor& Satire
Stimmung
Komisch, Hoffnungsvoll, Unbeschwert
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