Grabmal aus dem Reich der Toten Teil 1

Katja Michels

von Katja Michels

Story

Der ansonsten ganz in schwarz gekleidete Notar, richtete seine leuchtend violett schimmernde Krawatte und blickte in ernste, auf den letzten Willen ihres Vaters bedachten Gesichter. Nur Katrina war nicht wirklich bei der Sache, ihr erschien noch immer alles so unwirklich. „Dein Vater überlebt uns alle, ich glaube, er ist nicht geboren, um zu sterben.“ Diese Aussage ihrer Mutter, die bereits vor 10 Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, wollte ihr niemals wirklich aus dem Kopf gehen. Wie eine bekannte Melodie, die nun seit genau zwei Wochen als verstummt galt. Seit jenem Tag, als Anton Behler nicht mehr zur Arbeit erschienen, seiner Tochter keinen guten Morgen mehr gewünscht und sich auch nicht mehr jugendlich grinsend auf sein altersschwaches Motorrad geschwungen hatte. In seinem Herzen war es eine original Harley Davidson. Seit diesem Tag, an den sie ihn tot in seinem Bett vorfinden musste, seit dem war alles anders. Aber nicht nur, weil er nicht mehr da war, sondern eher deshalb, weil er seit diesem 20.11. plötzlich überall auftauchte. „Nur nicht mehr in der Realität“, wimmerte Katrina leise vor sich hin. „Was sagtest Du?“, Notar Karl Schüller sah von den Wertpapieren, die er für Margot und Hauke Behler ordnete auf und versuchte seine Aufmerksamkeit auf den jüngsten Sprössling seines besten Freundes zu richten. „Alles in Ordnung, Kleine?“ Eine Frage, die sich genauso stumpfsinnig in Katrinas Kopf festzusetzen schien, wie jener Satz ihrer Mutter: „Dein Vater überlebt uns alle!“ „Es geht schon“, antwortete die 22-Jährige leise und wischte sich einige Tränen von der Wange. „Ich habe jetzt alles so weit sortiert, er hat Euch sein Haus in Bonn-Lengsdorf, seine Münzsammlung, seinen alten Ford und seine Harley vermacht.“ Während des letzten Erbstückes, lächelte Karl sanft und strich über das Farbfoto, was seinen Freund auf einer alten Kawasaki zeigte. „Für Deinen Vater war seine Harley real.“ Ein scheues Lächeln huschte auch kurz über Katrinas Gesicht. Karl kramte bereits weiter und förderte schließlich einen dunkelviolett leuchtenden Umschlag zutage und zum ersten Mal, war da dieses seltsame Gefühl, sich auf einem Terrain zu bewegen, das den Sterblichen aus gutem Grunde, verschlossen bleiben sollte: „Ich habe hier unter seinen diversen Papieren, Formularen, noch etwas gefunden, womit ich leider überhaupt nichts anfangen kann. Ich vermute, dass Euer Vater da irgendeinem Club, einem Verein beigetreten ist aber mir sagt der Name leider gar nichts. Bezahlt hat er nichts, da steht nur, dass er freigeschaltet werden muss, bevor die Frist abläuft.“ Willkommen bei den „Violettilisten“, prangte in verschwommenen Zeilen auf dem Umschlag. Es folgten ein Anmeldeformular ihres Vaters sowie ein fast leeres Blatt, wo am unteren linken Rand eine einzige Zeile prangte: Link für Katrina Behler, im Auftrag ihres Vaters, Herrn Anton Behler, weitere Informationen erfolgen nach Freischaltung. „Onkel Karl, weißt Du, dass Deine Krawatte farblich genau zu diesem Club hier passt?“, Katrina nahm den violetten Umschlag und hielt ihn im warmen Licht der bronzefarbenen Glühlampe dicht neben die Krawatte ihres Patenonkels. Und da war es wieder, dieses Gefühl, etwas tun zu müssen, was abseits der Norm stattfinden würde.

© Katja Michels 2024-03-11

Genres
Romane & Erzählungen, Spannung & Horror
Stimmung
Herausfordernd, Dunkel, Emotional, Inspirierend, Mysteriös