Christine war in meiner Kindheit ein eher seltener Name. Sie lebte um 1300 und führte ein strenges Leben der Buße, um den Armen Seelen zu helfen und die Sünder zu bekehren. Ihr Leben war angefüllt mit außergewöhnlichen Vorgängen und mystischen Gnadenerweisen. Deshalb hat sie den Beinamen: ‘die Wunderbare’. Sie war mit fünfzehn Jahren Waise und verdiente ihren Unterhalt als Hirtin. Die Hl. Christine gilt als Patronin der Sünder und hilft gegen Infektionskrankheiten und Viehseuchen; in verzweifelten Lagen; und für einen guten Tod.
Ich bin mit ihr als Namensgeberin schon zufrieden bis ich vor einigen Jahren mit meiner Familie am Bolsena-See in Italien Urlaub machte. Da lernte ich die Märtyrerin Christina von Bolsena, die ‘Leidenschaftliche’ kennen, die auch am 24. Juli Namenstag hat, so wie die ‘Wunderbare’.
Überall hingen Plakate von einem großen Schauspiel. Ihre Zeugenschaft des Christentums und ihr Leidensweg wurde in einer Prozession, auf die ganze Altstadt verteilt, aufgeführt. In Stationen spielten die Akteure die Foltertorturen nach. Eine junge wunderschöne Frau wurde von jungen starken Männern mit nacktem Oberkörper von einem Platz zum anderen gezerrt und getragen. Ein ‘Grande Spettacolo’ gespickt mit einiger Sinnlichkeit, aber auch tiefer Frömmigkeit und traditionellen Bräuchen. Bei aller Übertriebenheit und allem Kitsch hat es mich doch auch berührt.
Christina wuchs in einem wohlhabenden Elternhaus auf. Sie war sehr schön und wurde von vielen Edelmännern als Gattin begehrt. Aber ihre Eltern weigerten sich, sie jemandem zur Ehe zu geben, denn sie wollten die Jungfrau dem Dienste der römischen Götter weihen. Eine christliche Dienerin unterrichtete sie jedoch heimlich im christlichen Glauben. Christina huldigte nur mehr dem christlichen Gott, zerbrach die Götzenbildnisse ihres Vaters und verteilte das Gold und Silber an die Armen.
Der Vater ließ Christina auspeitschen und ins Gefängnis sperren. Christinas Leib wies wundersamerweise keine Spuren der Schläge auf. Ihr Vater konnte sich dies nur mit Zauberei erklären und ließ seine Tochter auf ein Schiff bringen, wo man sie mit einem Mühlstein um den Hals im Meer versenken wollte. Doch eilten Engel zur Hilfe, die sie über Wasser hielten und sie wieder aufs Land führten. Dort warf man sie in einen glühenden Ofen, in dem sie fünf Tage und Nächte überlebte. Später ließ man Schlangen auf sie los. Die giftigen leckten ihr die Füße, die anderen schlangen sich um ihren Hals, ohne ihr irgendein Leid zuzufügen. Zuletzt riss man ihr die Zunge heraus, doch Christina verlor die Sprache nicht. Im Tempel des Apollo stürzten, auf ihr Gebet hin, die Götzenbilder in den Staub. Daraufhin durchbohrte man Christina mit zwei Pfeilen. Der eine traf sie ins Herz, der zweite in die Seite, worauf die Märtyrerin starb. (Quelle: Wikipedia)
Was für ein Theater! Was für ein Namenstag! Was für eine doppelte Heilige, deren Namen ich tragen darf – die ‚Wunderbare‘ und die ‚Leidenschaftliche‘.
© Christine Sollerer-Schnaiter 2022-11-08