gratis – und umsonst?

Andreas Trimmel

von Andreas Trimmel

Story

Ich habe Anspruch auf ein Telefonbuch, meint mein Anbieter. So ein richtig dickes, fettes Telefonbuch. Eins ganz aus Papier, ganz traditionell und analog. So eins, mit dem man problemlos beim Verscheuchen einer Wespe gleich auch das Fenster entglast – wenn einem der Schmöker aus der Hand entfleucht.

Ja, auf so ein Telefonbuch hab’ ich angeblich Anspruch. „Wozu?“, frag’ ich mich. Antwort fĂ€llt mir jedoch keine ein. Und daher lehn’ ich den Vorschlag meines Telekomanbieters dankend ab.

Der aber gibt nicht auf. Der meint, mich mit einem „Aber das Telefonbuch ist gratis“ ködern zu können. Gut, wenn das so is’ 
 Da kommen dann oft gleichermaßen Gier und Dankbarkeit ins Spiel. Dennoch – „gratis“ ist zwar nicht zwangslĂ€ufig gleichbedeutend mit „umsonst“, doch in diesem Fall trifft’s zu. Ein Telefonbuch wĂ€re genau das fĂŒr mich: Umsonst. Unnötig. Sinnlos. Ich brauch’s einfach nicht. Und dafĂŒr einen Baum auf dem Gewissen haben? Eben. Nein.

Ich will grad ein zweites Mal ablehnen, als mein Anbieter seinem „
 gratis“ noch ein „Es fallen nur Versand- und Zustellkosten an“ nachschiebt. Ich halte inne. Und beginne zu grĂŒbeln. Hab’ ich das richtig verstanden? Zwar gratis, aber doch nicht kostenfrei? Will mich der auf die Schaufel nehmen? FĂŒr dumm verkaufen? Oder meint der das ernst und hĂ€lt das fĂŒr eine geniale Marketingstrategie?

Dass Versand und Zustellung was kosten, das versteh’ ich ja. Aber dafĂŒr, dass jemand etwas an mich versendet, was ich nicht benötige, und dass mir jemand etwas zustellt, was ich nicht bestellt habe, nein, dafĂŒr werd’ ich nichts bezahlen. Ganz sicher nicht. Das wĂ€r’ echt umsonst, wenngleich alles andere als gratis.

Ich teil’ mein „Brauch’ ich nicht“ dem Anbieter mit. Telefonisch. So ein Computer ist’s, der meinen Anruf und mein „Nein“ entgegennimmt. Lieber wĂ€r’s mir zwar, ich könnt’ mit einem Menschen kommunizieren, aber klar: Jemanden zu beschĂ€ftigen – und damit zu entlohnen -, der Anrufe entgegennimmt und dadurch die Einnahmen reduziert, das klingt betriebswirtschaftlich betrachtet nicht gerade sonderlich innovativ. Daher wohl der gehaltfreie Telefoncomputer.

Das war vor zwei Jahren. Vor einem Jahr find’ ich dann ein mir gewidmetes Telefonbuch in meinem Postkasten. Und eine unerwartete Zeile mehr auf meiner Rechnung. DafĂŒr fehlen fĂŒnf Euro auf meinem Konto. Grmpff. Ich Ă€rgere mich. Erst ĂŒber den Anbieter. Dann ĂŒber mich selbst. Weil ich wohl vergessen hatte, das Telefonbuch abzubestellen. Ich nehm’s grummelnd zur Kenntnis. Und behalte das Nachschlagewerk. Gleichzeitig schlage ich das Angebot fĂŒr ein Gratisexemplar der nĂ€chstjĂ€hrigen Ausgabe mit lediglicher Weiterverrechnung der Versand- und Zustellkosten aus. Via Telefon.

Vor wenigen Tagen dann ein Deja Vu. Erneut hockt ein Telefonbuch in meinem Postkasten, erneut ist meine Rechnung lĂ€nger und erneut sind fĂŒnf Euro von meinem Konto ausgebĂŒxt. Und erneut greif’ ich zum Telefon. Hoffentlich nicht wieder umsonst. Und ganz sicher nicht gratis.

© Andreas Trimmel 2022-12-15