von Marina B. Jung
Wenn man jung und ungebunden ist, dann fallen einem allerhand Blödsinnigkeiten ein. Man lässt sich etwa ein Arschgeweih tätowieren, oder fährt betrunken mit dem Moped. Ja, auch ich habe Entscheidungen in meinem Leben getroffen, die andere als „Blödsinnigkeiten“ eingestuft haben, zum Beispiel: Den sicheren Job kündigen und mit meiner Freundin nach Spanien gehen!
Ja, diese Idee stellte sich tatsächlich sehr bald als ein absoluter Griff ins (verstopfte) Klo dar, aber genau dieses von der Gesellschaft definierte „Scheitern“ zählt bis heute zu meinen persönlichen Highlights des bisherigen Lebens!
Von vorne: Mit zwei Koffern und einem unbezahlten Praktikum in der Tasche ging’s nach Córdoba. Einfach mal in einem fremden Land leben, die Sprache perfektionieren, ungewohntes Essen naschen, neue Eindrücke sammeln. Ja, das reizte uns, das klang nach einem Abenteuer, wie es junge eben Menschen lieben.
Die bittere Realität sah aber so aus: Nix mit Spanischlernen – sondern stundenlang völlig alleine in der dampfenden Küche Gläser polieren. Nix mit authentische Tapas kosten – sondern nur die übriggebliebenen, vertrockneten Pommes der Hotelgäste essen. Nix mit nach der Arbeit die neue Umgebung erkunden– sondern mehrmals täglich das verstopfte Klo freipömpeln. Nix mit exotische Pflanzen und Tiere sehen – sondern lediglich eine stinknormale Ameisenkolonie im Schlafzimmer beobachten.
Gut, ja, die hochgesteckten Erwartungen einer Frau Mitte 20 waren nicht die eines Schülers im Pflichtpraktikum und das mitgebrachte Eigenkapital machte die Entscheidung etwas einfacher, aber schon nach ein paar Tagen war klar: Wir kündigen unsere Sklavenanstellung und hauen ab! Mit Koffern im Schlepptau, die so schwer waren wie 4 nasse Eisbären, und mit Bahn, Schiff, Bus, Taxi ging es quer durchs spanische Festland bis nach Afrika.
Wir sahen Fische, die aussahen wie Wurst. Wir mieteten uns unabsichtlich in ein Pornohotel ein. Wir stellten fest, dass man ein Tic Tac hervorragend als Zahnlückenersatz verwenden kann. Wir hatten ein Reptilien-Haustier namens Jorge. Wir fragten uns, wer die Schaufensterpuppe ermordet hat. Ja, das alles klingt für einen Außenstehenden etwas verwirrend, aber all das möchte ich genauso für immer in meinem Kopf abspeichern! All diese unauslöschlichen Abenteuer sollen in meinen Erinnerungen konserviert werden, bis der Tag X kommt. Jener Tag, an dem mir eines meiner eigenen Kinder einen komplett kuriosen Plan auftischen wird. Eine aus meiner nunmehr erwachsenen Sicht völlig sinnbefreite Idee wird mich innerlich zur Verzweiflung bringen. Und dann möchte ich auf all die wundervoll-verrückten Erfahrungen und Bauchkribbel-Emotionen zurückgreifen und ihnen überzeugt JA zurufen! Ich möchte meine Kinder darin zu bestärken, jene Schwachsinnigkeiten und vermeintlichen „Griffe ins Klo“ zu wagen. Denn genau die füllen das Leben mit den schönsten Erinnerungen und machen das eigene Leben so einzigartig!
© Marina B. Jung 2021-01-18