von Hofajack
Anif wird oft als Nobelort bezeichnet und daher ist es nicht verwunderlich, dass sich der ein oder andere Prominente hier auch gerne niederlässt. So hatte sich hier auch der berühmte italienische Dirigent, Riccardo Muti, niedergelassen und ein schönes Haus errichtet. Allerdings nutzte er sein Wohndomizil äußerst selten und wenn, dann vor allem zur Festspielzeit. Eines abends im August – er hatte einen freien Tag und wollte den Abend schön ausklingen lassen – setzte er sich auf sein Fahrrad und drehte damit in Anif seine Runden. Dabei führte ihn der Weg direkt an den Feldern meiner Verwandten vorbei. Der Bauernhof lag in der Nähe zu Anif und ein schöner Weg führte an ihm vorbei. Meine Verwandten waren gerade dabei die letzten Arbeiten des Tages am Feld zu erledigen. Mein Cousin und seine Großmutter waren mit Heuarbeiten beschäftigt. Da die Oma eine strenge, konservative und eine nicht sehr zugängliche Frau war, war sie in der Familie eher gefürchtet und wurde von allen nur ehrfurchtsvoll „Großmama“ genannt, wobei die Betonung eindeutig auf „Groß“ und nicht „Mama“ lag. Auch Fremden gegenüber begegnete Großmama äußerst zurückhaltend, wenn nicht sogar ablehnend. Nun ergab es sich, dass der Dirigent Muti direkt bei der Großmutter an diesem Abend vorbeiradelte. Mit seinem südländischen, ausdrucksstarken Gesicht und den dunklen längeren Haaren war er sofort von ihr als ein „Fremder“ identifiziert worden. Lauthals schrie sie: „Jetzt kommt schon wieder so ein schwarzer Teifi vorbei!“ und fuchtelte mit der Heugabel bedrohlich in Richtung Muti. Dieser – leicht irritiert – setzte die Radfahrt (nun etwas beschleunigt) fort. Mein Cousin entgegnete seiner Großmutter entrüstet: „Aber Großmama, kennst du denn den nicht! Das ist der berühmte Dirigent Riccardo Muti! Der ist wegen den Festspielen da und hat sogar ein Haus in Anif.“ Die Antwort folgte sofort: „Echt? Bin gleich wieder da!“ Mit schnellen Schritten folgte sie dem verdutzten Radfahrer und holte ihn sogar ein. Sie stoppte ihn sogar und rief begeistert: „Ja, Herr Muti, ich bin ja so glücklich Sie hier zu sehen. Welche eine Freude Herr Muti. Ich hoffe, es geht Ihnen gut.“ Mein Cousin verfolgte die Szenerie kopfschüttelnd, konnte sich aber ein Schmunzeln nicht verkneifen. Riccardo Muti unterließ fortan seine abendlichen Rundfahrten und kam nicht mehr am Bauernhof vorbei. Ob er wegen diesem Vorfall sein Haus in Anif verkauft hat, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.
© Hofajack 2019-08-07