Grossmutter

rebella-maria-biebel

von rebella-maria-biebel

Story

Wenn ich an meine Grossmutter denke, dann kommen immer Gerüche daher. Zuerst einmal nach Seife, Hirschseife nimm ich an. Und dann nach Kaffee. Oder eigentlich war das der erste Duft. Und der kam schon daher, sobald ich das Haustor in der Kettenbrückengasse öffnete.

In Grossmutters kleiner KĂĽche mit Fenster auf den Gang stand immer ein grosser Topf mit Kaffee auf dem Herd. Meine Mama nannte es immer „Grossmutters Mischung“. Ich weiss nicht, was und wieviel davon da drin war, aber ich kann mich noch an die Verpackungen erinnern. Blau-weisse „Linde“ Packerln und „Kathreiner“. Und eine Dose ohne Beschriftung, da war der echte Kaffee drin, von dem wahrscheinlich nur Spurenelemente in den Kaffeetopf kamen.

Wie hab ich sie geliebt, meine kaffeeseifige Grossmutter, väterlicherseits. Klein und etwas bucklig, mit schĂĽtterem schlohweissen Haar, blitzblauen fröhlichen Augen und einer grossen blaugefrorenen Nase. Vor allem, wenn sie von der Kälte ins Warme kam, begann ihre Nase kräftig zu leuchten. Und zu tropfen. Sie schämte sich aber nicht dafĂĽr, lachte ĂĽber ihre „flĂĽssige Nase“. Tupfte mit einer Hand ihre Tropfnase trocken, aber die zweite Hand gehörte schon mir. Auch ihre Hand liebte ich sehr. Die Haut war so weich wie Seidenpapier. Wie hat sie das gemacht, bei der vielen Hausarbeit?

Und meine Mama hatte im hohen Alter dieselben weichen Hände wie die Grossmutter. Ich hab ihre Hände so gern in den meinen gehalten. Sie konnte nie zärtlich sein, meine Mama, aber ihre zarten Hände liessen sie so wirken.

Grossmutter war eine Zärtliche. Sie drĂĽckte mich an sich, streichelte meine Wangen, lächelte mir zu. Alles Dinge, die mir im Elternhaus kaum einmal zuteil wurden. Ihre Liebesworte hab ich nie verstanden. Böhmisch. „Bemakeln“ hiess das. Auch das liebte ich an ihr.

Wie hat sie sich ihr liebevolles Wesen erhalten trotz der vielen Schicksalsschläge in ihrem Leben? Zwei Weltkriege, von ihren 6 Kindern 2 Söhne im Krieg verloren. Ihr Mann, mein Grossvater, starb auch früh und liess sie in der kleinen Wohnung mit Schneiderwerkstatt zurück. Wie konnte sie 2 Söhne studieren lassen? Wie konnte sie in der düsteren, engen Wohnung soviel Helles, Weites wachsen lassen?

Papa sagte immer, seine Mama sei ein Engel. Ich weiss nicht, wie man sich Engel vorstellen sollte. Aber Grossmutter käme dem Bild sicher ziemlich nahe. Trotz Tropfnase, oder gerade deshalb, weil sie einfach über den herkömmlichen Benimmregeln stand. Der Engel mit der roten Nase. Mit den weichen Händen und dem Seifen-Kaffee-Duft. Der Engel mit der blitzblauen, geblümten Schürze, in dessen Taschen immer irgendwo ein Mannerzuckerl versteckt war.

Grossmutter, mein Engel mit dem grossen Herzen….

© rebella-maria-biebel 2019-12-21

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