von Daniela Neuwirth
Mit meiner Schwester Franziska ging unsere Mutter oftmals nach Schabac zum Augenarzt, währenddessen fütterte ich die Schweine und passte verantwortungsvoll auf die jüngere Schwester auf. Drei der Schweine gehörten Franziska und die anderen drei Schweine mir. Über den Zaun wurde das Futter in den Trog geleert, wozu ich mir eine Kiste unterstellen musste, um drüber zu gelangen. Vorher jedoch verjagte ich die Schweine meiner Schwester, damit meine besser zum Futtertrog gelangen und mehr fressen können. Dabei stürzte ich mitsammt dem Futter in den Trog. Die aufgebrachten Schweine störte das nicht beim Fressen und ich musste mich mühsam wieder aus dem „Ober“ befreien. Voller Dreck schöpfte ich nun aus dem tiefen Brunnen Wasser – was uns Kindern eigentlich nicht erlaubt war – um mich abzuwaschen.
Neben dieser ganzen Prozedur versorgte ich auch noch meine kleine Schwester Herta. Die Einjährige musste herumgetragen werden und mit Brei gefüttert. Als unsere Mutter nach Hause kam, bemerkte sie natürlich, was hier los war. Geschimpft hat sie nie.
An die Geburt meiner jüngeren Schwester kann ich mich noch genau erinnern. Als sich die Niederkunft ankündigte, wurden Franziska und ich mit dem Zug zu den Großeltern nach Nikinci gebracht. Einige Tage später begleitete uns dann die Großmutter Theresia wieder nach Hause, doch das Baby war noch nicht da. Unsere Eltern schickten uns Kinder zum Spielen ins Nachbarhaus. Irgenwann hörte ich den Nachbarn. Er entdeckte am Dach unserer Eltern einen Storch am Kamin sitzen und rief: „Schauts, jetzt kann es nicht mehr lange dauern.“. Und wirklich. Kurz darauf wurde Herta geboren.
An Sonntagen ging unsere Mutter mit uns Kindern zur Messe in Klenak. Einmal im Monat kam der Pfarrer, ansonsten kamen die Menschen zum Gebet in die Kirche. Unsere Großmutter – die Mutter meines Vaters, Gertrude Rettig – war die Vorbeterin.
Immer öfter hörte man die Erwachsenen vom Krieg reden. 1941 war es schließlich so weit. Von Osten kreisten am Himmel die ersten Flugzeuge über Klenak. Sie flogen so tief, dass ich die Männer drinnen sitzen sehen konnte. „Das sind ja deutsche Flugzeuge!“ erschrak meine Mutter und rief hastig alle Kinder rein ins Haus. Diese flogen in Richtung Nikinci und bombardierten zuerst die Kirche. In den nächsten Tagen marschierte das deutsche Militär in Klenak ein und die Dorfbewohner versteckten sich in Kellern, im Wald oder in ihren Häusern.
Unser Vater Jakob war in Schabac in seiner Arbeitsstätte. Barbara ging mit uns drei Kindern zu den Schwiegereltern in einen Bunker im Hof. Es kündigte sich ein weiterer Schwerangriff nach Schabac an. Die Sawe, ein Fluß in Klenak, stellte die Grenze nach Serbien dar, deshalb war für die Deutschen die Brücke wichtig. Gegen Abend beruhigte sich die Lage.
Unsere Mutter nutzte die Zeit, um ihre Tiere zu versorgen. Überraschend wurde wieder geschossen. Ein Nachbar wollte auch in den Bunker. Ich ergriff die Gelegenheit – während er reinkam, schlüpfte ich raus.
© Daniela Neuwirth 2020-02-26