von Mia_Estelle
Der Vertrag für meine 1. Tätigkeit nach meinem Examen war fix, auch wenn es zunächst temporär ein weiteres Praktikum bedeutete. Ich war dennoch froh, nahtlos an meinen Hochschulabschluss erste internationale Berufserfahrung zu sammeln und Schweiz hörte sich als Arbeitsort auch nicht gerade unsexy an.
Mein Praktikumsgehalt schien on top im Vergleich zu frĂĽher mehr als vernĂĽnftig, als ich die Schweizer Franken in Euro umrechnete, auch wenn ich ja keinerlei Vergleich hatte, was man in der Schweiz „normal“ verdient und mir zu diesem Zeitpunkt ehrlicherweise die hohen Lebenshaltungskosten nicht bewusst waren. Das sollte sich vor Ort schnell ändern.
Voller Vorfreude kam ich bei einer ehemaligen Schulfreundin an, wo ich für die erste Woche bleiben konnte. Am nächsten Tag war es dann so weit: Mein 1. Arbeitstag als Berufseinsteigerin. Ich war super neugierig, wie alles werden würde. Ich wurde von meinem Chef herzlich empfangen, in der Firma, einem weltweiten IT-Konzern, vorgestellt und herzlich begrüsst. Und damit machte ich auch die ersten Berührungspunkte mit Schwyzerdütsch. Mein Chef brachte mich an meinen neuen Arbeitsplatz direkt neben seinem Büro. Ich war stolz. Alles war total aufregend.
In ersten Gesprächen mit Arbeitskollegen kam dann schnell zur Sprache, dass ich noch auf Wohnungssuche bin. Alle zeigten sich recht hilfsbereit. Ich dachte aus meinen bisherigen Studiums-Erfahrungen, dass das easy sein dürfte: Zeitung/Internet aufschlagen, Inserate scannen, Termine vereinbaren.
Tja, nur hatte ich nicht auf meiner Rechnung, dass ich 1. nun Ausländerin, genauer gesagt Deutsche in der Schweiz, bin, 2. nur einen temporären Arbeitsvertrag und damit eine temporäre Aufenthaltsbewilligung von vorerst 3 Monaten hatte und 3. mein Gehalt sich rasch als echtes Praktikumsniveau unter dem offiziellen Mindestlohn von Angestellten herausstellen sollte.
Da war ich also in der wohlhabenden, reichen Schweiz und fand aus besagten GrĂĽnden keine Wohnung. Eine Arbeitskollegin stellte mir schliesslich den Kontakt zu einer Spanierin her, von der sie wusste, dass sie einzelne Zimmer vermietet. Spanierin klang schon mal sympathisch, zumal ich die Sprache ja fliessend spreche und bereits ein Jahr in Spanien gelebt habe.
Ich vereinbarte also einen Besichtigungstermin. Ich hatte keine Alternativen bisher. Dort angekommen, wurde ich zackig auf den Boden der Tatsachen geholt, was ich für mein Praktikumsgehalt an Unterkunft bekommen sollte: ein kleines Zimmer – im Keller, immerhin mit Fenster, Mini-Bad, das ich mir mit dem 2. zu vermietenden Zimmer teilen musste. Im Luftschutzbunker, ja richtig, in der Schweiz in zahlreichen Häusern noch üblich, war meine «Küche» in Form eines Kühlschranks und 2 Elektroherdplatten. Das war’s!
«Ok», dachte ich mir und sagte etwas verunsichert zu. Grüezi. Hoi. Willkommen in der Schweiz. Luege ma mal, was so viel heisst wie schauen wir mal, was das Abenteuer für mich noch bereithält.
© Mia_Estelle 2020-08-13