von Christine Amon
Meine Familie und ich – wir leben und essen ziemlich traditionell. Niemand hat eine Unverträglichkeit oder Allergie (zumindest wissen wir nichts davon) oder sonstige gesundheitliche Probleme, die uns zur Diät zwingen würden. Wir essen am Sonntag Schnitzel oder Hendl (niemals unter der Woche!), am Freitag Fisch oder Gemüselaibchen oder auch mal Palatschinken. Natürlich ist es auch schon bis zu uns vorgedrungen, dass man nicht so viel Fleisch essen sollte, und ich bemühe mich auch, mehr Gemüse zu kochen, aber der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier!
Jedes Jahr im Herbst haben wir eine Veranstaltung unseres Vereins Regionale Gehölzvermehrung, bei der wir unsere Bäume und Sträucher verkaufen. Meist bekommen wir jemanden vom Verein zur Mithilfe. Dieses Jahr half uns Roland. Roland, der junge Mann mit der ausgefallenen Frisur und dem offenen Lachen. Roland ist sehr alternativ und Roland isst sehr alternativ. Seine Jause bestand aus Vollkornbrot und Kräutern, was sicherlich besonders gesund ist.
Aber Rolands Getränk zog mich immer wieder an. Dieses seltsame grüne Getränk da – das konnte nur ein Grüner Smoothie sein! Ich hatte noch nie so etwas gekostet, aber über seine positiven Auswirkungen hatte ich schon vieles gehört.
Der grüne Smoothie zog mich jedenfalls magisch an. Und stieß mich aber auch wieder ab, weil davon, dass er appetitlich aussah, konnte wirklich nicht die Rede sein! Nach zwei Stundens Ringens mit mir selber fragte ich Roland zögernd, ob das ein grüner Smoothie sei und ob ich ihn kosten dürfe. Na freilich durfte ich! Roland ist keiner von den Ernährungsmissionaren, er mokierte sich nicht im geringsten über unsere Speckstangerl (wir hätten auch das Vollkornbrot und die Kräuter kosten dürfen, aber das haben wir dankend abgelehnt). Ich durfte das Getränk kosten (mein Mann wollte nicht). Der Smoothie schmeckte überraschend gut, da war genügend Banane dabei.
Nachmittags hatten alle Kunden ihre Heckenpakete abgeholt und wir fuhren wieder nach Hause.
Daheim beim abendlichen Toast erzählte ich von meinen neuesten kulinarischen Erfahrungen. Markus berichtete von einem Freund, der Mehlwürmer züchtet, um sie zu essen. Insekten sollen ja recht hochwertiges Protein haben. Allerdings, gab ich zu bedenken, ist es nicht besser, EIN Schwein zu schlachten als Tausende von Mehlwürmern umzubringen? Markus beruhigte mich: Die Mehlwürmer werden tiefgefroren, die schlafen ganz sanft ein. Die haben so wenig Hirn, die bemerken das gar nicht richtig, dass sie sterben. Nun, dann soll es mir auch recht sein, die Schweine haben mir schon immer leid getan, wenn sie geschlachtet wurden.
Zum Abschluss wollte ich noch einmal von meinem Grünen Smoothie berichten, da sagte mein Mann energisch: Nein! Hör auf! Rede nicht von diesem grauslichem Getränk, solange ich noch esse!
Mehlwürmer sind wenigstens anständiges Fleisch, da kann man sich ruhig darüber unterhalten beim Essen!
© Christine Amon 2019-05-31