Grüsse vom FKK-Strand

Marianna Vogt

von Marianna Vogt

Story

Liebe Moni!

Weisst du noch, wie oft ich davon geträumt habe, nur einmal im Meer zu baden, mich auf der Liege von der Sonne bräunen zu lassen und wie die kleinen Kinder, eine Sandburg am Strand zu bauen? Ich habe dich mit meinen Wünschen, fast in den Wahnsinn getrieben. Endlich ist nun meine Bitte in Erfüllung gegangen. Ich kann es kaum glauben. Aber es ist wahr – ich lümmle auf dem Liegestuhl am Strand, vor mir das weite Meer und ich schreibe dir diese Zeilen.

Liebe Moni, ich muss dir etwas anvertrauen – ich weiß, du erzählst es niemandem weiter, sonst würde ich mich dafür schämen. Als ich dieses Hotel gebucht habe, stand in der Beschreibung: Hotel eigener FKK-Strand. Dieses Wort hatte ich zuvor noch nie gehört, aber es war mir auf Anhieb sympathisch. Du meine Güte Moni! Als ich im Hotel angekommen bin, streifte ich den Bikini über und ging hinunter zum Strand. Ein Hotelangestellter versperrte mir den Weg. Er schüttelte nur unmissverständlich seinen Kopf: «Junge Frau», sagte er zu mir, seine braunen Augen blitzten, «dies ist ein «Freikörperkulturstrand», ziehen Sie sich bitte aus, oder laufen sie zum Stadtstrand, dieser befindet sich zehn Minuten von hier.»

«Was für ein Strand, sagen Sie, ist das?», fragte ich ihn erschrocken. Er grinste: «Dies ist ein FKK-Strand – an diesem Strand wird nackt gebadet», erklärte er mit charmanter Stimme. Moni, stell dir das einmal vor. Die Leute baden nackig hier. Wo ist da der Anstand geblieben? Was sich die Fische wohl denken? Moni, ich sag’s dir. Ich habe mich nicht getraut, mich vor dem jungen Mann auszuziehen. So ging ich auf mein Zimmer zurück und kam schliesslich mit einem grossen Badetuch umschlungen, damit ich mich nicht so unbedeckt fühlte, an den Strand zurück. Als er mich erblickte, lächelte er und liess seine gebleachten Zähne blicken: «Aber auf der Liege lassen Sie dann gefälligst die Hüllen fallen», scherzte er mir hinterher.

Moni ich sag’s dir. Zum Glück ist Vorsaison und das Hotel praktisch leer. So nehme ich allen Mut zusammen und gehe morgens und nachmittags im Meer baden. Es kostet mich verdammt viel Überwindung. Ich beeile mich stets, dass ich nicht lange am Strand splitterfasernackt herum laufen muss. Ich kenne dich – dir würde dies bestimmt gefallen – du warst schon immer die Mutigere von uns beiden. Aber ich muss gestehen, es geht von Tag zu Tag besser. Mittlerweile finde ich es sogar ganz gut, so entblösst. Weisst du warum? Ich habe kein nasses Badezeug, wenn ich aus dem Wasser steige – und wenn ich es mir so überlege, werde ich sogar nahtlos braun. Ich sag’s dir, Moni, ich werde immer mutiger. Ich habe noch zwei Tage vor mir. Wer weiß, was noch alles passieren wird.

Wenn ich wieder zu Hause bin, gehen wir zum Italiener essen und ich werde dir alles erzählen. Nun beende ich diese Zeilen – ich muss ins Wasser, mich abkühlen, denn es ist verdammt heiss, obwohl erst Vorsaison ist.

Liebe Grüsse vom FKK-Strand.

Deine Freundin Mimi

Titelbild: Nicole Eisenman (*1965)

Tiff Writing

Poetry 2016

© Marianna Vogt 2022-05-14

Hashtags