von Tale Sauerwein
„Ich soll WAS tun?“
„Eine Wand exorzieren. Also unsere Küchenwand, mein Mitbewohner hängt da nämlich fest und kommt ohne Exorzisten nicht mehr raus, deswegen bräuchten wir Ihre Hilfe.“ Ich überlege kurz, ob das ein Scherz ist, aber die Geschichte ist zu absurd, um sie sich auszudenken. „Ähm, könnten Sie das machen, oder soll ich nochmal jemand anderen anrufen, das wäre auch kein Problem.“, anscheinend hat mein Gesprächspartner mein Schweigen als stilles Zweifeln gedeutet. „Nein, kein Problem!“, beruhige ich ihn, „Sie sind bei mir schon richtig. Wenn es Ihnen passt, könnte ich in einer halben Stunde da sein, dann gucke ich mir das mal an.“ Und das möchte ich wirklich: Wie bitte kann jemand in einer Wand stecken bleiben? „Wunderbärchen!“, freut sich mein Klient, der sich anfangs als Paul vorgestellt hat, „Dann sag ich ihm Bescheid. Bis Dannimanski!“ In dem Augenblick, in dem ich den Hörer Klicken höre, bekomme ich das leidvolle Gefühl, dass es ein langer Vormittag werden wird.
Etwa eine Stunde später (es gab einen Notfall mit einer randalierenden Geisterkonditorin) komme ich bei der Adresse an, die sich auch für den ungeübten Blick schnell als Studentenwohnheim entpuppt. Ich klingel und kann mir gerade noch ein Stück Teig vom Rock zupfen, bevor die Tür aufgeht und mir ein grinsender Student die Tür öffnet: „Grüßli Müsli! Du bist die Exorzistin?“ „Äh, ja.“, ich nicke, „Du bist Paul?“ „So sieht´s aus im Schneckenhaus!“, er nickt und ignoriert meinen entgeisterten Blick, „Komm rein, ich zeig dir unser Problemkind.“
Keine fünf Minuten später muss ich feststellen, dass das „Problemkind“ – Pauls Mitbewohner – ein ausgewachsener Dämon mit Hörnern auf dem Kopf ist, der bis zur Hüfte aus der Wand ragt und an eine schlecht aufgehängte Jagdtrophäe erinnert. „Na, alles Roger in Kambodscha?“, begrüßt er mich grinsend und bestätigt meine Vermutung, dass schlechte Wortspiele zum guten Ton in dieser WG gehören. „Guten Tag!“, ich betrachte die unscheinbare Wand, „Was ist passiert?“ „Na ja, äh.“, antwortet Paul mir und fängt an zu lachen, „Ich hab ihm einen Fuß weggezogen, und beim Stolpern ist er durch die Wand durch. Normal kommt er am anderen Ende wieder raus, aber irgendwie steckt er jetzt fest.“ „Mmh.“, ich runzle die Stirn, „Könnte ich mir mal das Zimmer nebenan ansehen?“ „Aber sicher! Immer Heroin spaziert!“ Wieder winde ich mich innerlich. „Danke, äh …“ „Mandus Accursius Terribilis.“, hilft der Dämon mir weiter, „Du kannst mich Manni nennen.“ „Danke, Manni.“, nicke ich und verlasse fluchtartig den Raum. Die Beiden gehören bestimmt auch zu dieser speziellen Sorte Menschen, die einem zum Geburtstag „Herzlichen Glühstrumpf“ schreiben. Der Gedanke schüttelt mich.
In Mannis Zimmer guckt mit dem Po und den Beinen der restliche Dämon aus der Wand. Und hier finde ich auch das Problem.
© Tale Sauerwein 2022-08-31