Ich wollte es ihr direkt ins Gesicht schreien. Ich wollte so laut schreien, bis all diese ekligen und harten Wörter aus meiner Kehle kommen würden. Gleich flüssigem Abfall, dem jemand zertrümmertem Hass beigemischt hatte. In meiner Kehle schwellt Abwasser, direkt aus dem dreckigsten aller Kanäle. Durchgeschwemmt durch eine Stadt voller Verschmutzung.
Das, was in mir war, war so groß und verletzend, dass sie – für das bloße Auge sichtbar – mein Rückgrat hätte sehen können. Roh bis auf den Kern und auf jeden meiner Knochen. Zwischen nervösen Nervenenden und offenen Blutgefäßen hätte sie all meine Lügen und Wahrheiten sehen können. Hätte sie es nur gewollt. (Hätte ich es nur gesagt.)
Ich wollte ihr all meine Worte entgegen spucken, ich wollte das mein Blut auf ihre schöne Bluse tropft und dort für eine lange Zeit bleiben würde. Sie sollte es mit keinem Waschmittel der Welt herausbekommen, so wenig wie ich ihre Abdrücke von mir ausstreichen konnte. Ich wollte, dass sie sich dafür Ausreden überlegen musste. Das Andere fragen würde, wen sie so sehr verletzt hatte, dass da soviel Blut war. Ich wollte, das sie lügen müsste für mich und für ihre Haltung.
Doch sie stand weiterhin unbeeindruckt vor mir und ich bewegte mich nicht. Ein unüberwindbares Hindernis und eine unaufhaltbare Kraft, waren wir wie in einem alten Western-Film stecken geblieben. Von Angesicht zu Angesicht, mit geballten Fäusten. Sie sagte kein Wort und ich hatte das Gefühl, dass mein Körper durch all die Buchstaben immer mehr an schwoll. Nicht sofort vor ihr auf die Knie zu gehen, nicht zu kotzen verlangte mir alles ab. Es schnürte mir die Kehle zu und verstopfte mir die Poren.
Der Abend kam und schleuderte dunkle Stoffrollen über den Park. Ich hatte zu lange gewartet und dann wurde es Grau.
Mir war bis zu diesem Tag nicht klar, wie ängstlich und besitzergreifend diese Farbe ist. Sie nahm alle Anderen mit, verschüttete ihre dunkle Flüssigkeit auf die Straßen und hüllte ihren Mantel um unsere Körper. Die Bäume konnte ich mit einem Mal nicht mehr vom Firmament unterscheiden und ihr Gesicht verlor sich in der nebelhaften Ruhe. Bevor ich es überhaupt erkannte, war ich auch grau wie sie. Mein ganzes Rot, meine Wut, mein Zorn war grau geworden.
Grau war alles, was ich hatte, grau war alles, was ich liebte.
© Jonathan Krupitza 2022-08-31