Gute alte Zeit

Martin Buchgraber

von Martin Buchgraber

Story

Damals. Das Wasser war klarer. Die Menschen gingen in die Kirche. Die Familie hielt zusammen. Die Mutter war hinterm Herd. Der Vater im Bergwerk. Ein Politiker war ein Politiker. Ein Heimatdichter war ein “Hoamatdichter” und kein schreibender Nestbeschmutzer. Noch heute wird gerne über die liaben, herzerwärmenden Gedichte von “früher” geschmunzelt. Wie über die des Herrn Kloepfer. Ich habe von diesem Namen bislang noch nie Notiz genommen. Bei einem Spaziergang durch das steirische Feldbach entdeckte ich ein Zusatzschild, welches unter dem Straßennamen „Kloepfergasse“ angebracht ist:

„Dr. Hans Kloepfer (1867–1944), Arzt und Schriftsteller, früher Sympathisant des Nationalsozialismus (1938–1944) NSDAP-Mitglied“.

Das Ergänzungs-Schild irritiert mich. Wie ist „frĂĽher“ zu verstehen? War er „nur“ von 1938 bis 1944, also bis zu seinem Tode, NSDAP-Mitglied? Wann war frĂĽher? Das wirkt auf mich doch sehr verharmlosend. Ich beginne, ĂĽber den Herrn Kloepfer zu recherchieren. Er war ein beliebter steirischer Heimatdichter, der noch heute in der Steiermark ein hohes Ansehen genieĂźt. Vor einigen Jahren wurde sein 150. Geburtstag zelebriert. Die O-Töne eines Historikers und des BĂĽrgermeisters dazu: „Wir wollen seine NS-Vergangenheit nicht zu sehr an die groĂźe Glocke hängen! Es sollen seine Werke und nicht seine politische Einstellung gewĂĽrdigt werden.“ Diese Ă„uĂźerung regt mich auf und weiter zum Nachdenken an. Darf man solcherlei Aussagen tätigen?

Das erste Kloepfer-Gedicht, auf welches ich im Zuge meiner Nachforschungen stoĂźe, lautet wie folgt:

„Schreibn tuat er si Hitler, und uns so guat gsinnt,wia ma weit in der Welt, net an liabern wo findt.“

Da klingt große Begeisterung für einen diktatorischen Massenmörder durch. Für mich scheint es unmöglich, hier das Werk von der politischen Haltung zu trennen. Viele fanden die Geburtstagsveranstaltung diskussionswürdig. Das Fest wurde schließlich von der Gemeinde bis auf Weiteres verschoben. Kloepfer war übrigens einer von nur zwei österreichischen Ehrengästen am Reichsparteitag in Nürnberg 1938. Viele Straßen, Gassen (auch in Wien) sind heute noch nach Hans Kloepfer benannt. Die Politik tut sich offenbar schwer, eine vertretbare Abgrenzung zu finden. Auch in Graz hat man es versucht. Es wurde im Jahr 2017 eine Historikerkommission eingesetzt. Sie kam zu dem Schluss, dass es in Graz 20 höchst bedenkliche Straßennamen (u. a. Hans Kloepfer, Conrad von Hötzendorf, Karl Lueger) gebe. Die Straßennamen gibt es heute noch …

Ich rief beim Stadtgemeindeamt Feldbach an und wollte wissen, wie es zu der merkwĂĽrdigen Ergänzungstafel gekommen war. Der zuständige Historiker gab mir die ehrliche Antwort: „Wissens … da wollte irgendein BĂĽrgermeister gescheit sein. Der hat die Taferl da montiert! Gefallen tut mir das so auch nicht.“

Wo verschwimmt die Grenze zwischen Hellhörigkeit und Schwerhörigkeit in unserer Gesellschaft? Und.War früher wirklich alles besser?

© Martin Buchgraber 2021-04-29

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