von Catja
Früher hatte ich kein Problem, wenn mich jemand nach Kindern fragte. Aber der Tod ändert alles und ich konnte auf diese harmlose Frage keine Antwort mehr geben. Immer war ich wie gelähmt.
Wie unangenehm mir diese Frage war, wurde mir zum ersten Mal bei einer Reise bewusst. Meine Mutter lud meine Schwester und mich auf eine geführte Busrundreise nach Italien ein. Und immer wenn ein Gespräch persönlich zu werden drohte, entfernte ich mich oder wechselte schnell das Thema. Auf Dauer war das richtig anstrengend. Doch ähnliche Begegnungen wiederholten sich. Sobald ich bei einem Kurs oder bei einem Kuraufenthalt mit fremden Menschen in Kontakt kam und mir die Frage nach Kindern gestellt wurde, tat ich, als hätte ich das nicht gehört. So konnte das nicht mehr weiter gehen, ich musste mich damit auseinandersetzen. Es gab für mich zwei Möglichkeiten.
Ich habe nur ein Kind und erwähne meinen verstorbenen Sohn nicht, um keine Betroffenheit auszulösen. Oder ich spreche auch über ihn und riskiere meine Verlegenheit und die Betroffenheit der fragenden Person. Ich konfrontiere mich und sie mit dem Tod eines jungen Menschen und das ist für beide nicht angenehm. Ich brauchte Monate, um mich für Variante zwei zu entscheiden. Ich konnte meinen Sohn nicht unter den Tisch fallen lassen, nur weil er nicht mehr am Leben war.
Ich dachte auch im Allgemeinen darüber nach, wie sich bei dieser Frage Frauen, die gerne Kinder gehabt hätten, fühlen. Frauen, die Fehlgeburten hatten oder Paare, bei denen sich der Kinderwunsch nicht erfüllt hatte. Frauen, die zur passenden Zeit keinen passenden Partner hatten und Frauen, die zwar einen Partner haben, der aber keine Kinder wollte. Wir sehen, die Frage >Haben Sie Kinder?< ist leicht mit Ja oder Nein zu beantworten doch im Inneren rührt der Fragende unter Umständen an ein heikles Thema.
Meine theoretische Vorbereitung sollte nicht umsonst gewesen sein. Bei einer Weihnachtsfeier der Yogagruppe fragte mich eine Dame (und ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet): Hast du Kinder?
Ich schluckte, da war sie wieder, diese Frage.
Ja, zwei Söhne, aber einer ist gestorben. Sie entschuldigte sich, gefragt zu haben und ich meinte, dass sie das nicht wissen könne. Glaubst du, dass du ihn wieder siehst? Jetzt war ich total überrascht, niemand vorher hatte mich das gefragt. Ich überlegte. Manchmal schon aber eher nicht gab ich zur Antwort. Darauf erzählte sie von ihrer besten Freundin, die einen Kontakt zu ihrem verstorbenen Vater hergestellt hatte. Die Yoga-Kursteilnehmerin und ihre Freundin sind von einem Leben nach dem Tod überzeugt. In den Minuten dieses Gesprächs (und es hielt noch länger an) wurde mir warm ums Herz und ich glaubte auch daran. Wie schön wäre es, unglaublich schön!
© Catja 2023-01-02