von EmmaMaria
Keiner liebt diesen Geruch, den Geruch von Hafenwasser. Wie riecht es denn? Es ist eine Mischung aus vielen Düften, so wie auch ein Parfum aus vielen verschiedenen Düften besteht, die einzeln teilweise eher stinken als duften. Die Kombination macht dann das einzigartige Odeur aus. Im Hafen strömt mir eine Mischung aus salziger Meeresluft, Fisch, Diesel, Öl, Algen und Schiffsabgasen in die Nase. Wahrscheinlich würde jetzt jeder die selbige rümpfen und sagen „Igitt!“. Aber ich liebe diese Atmosphäre über alles. Das ist für mich Heimat, Kindheit und so viel mehr. Erinnerungen an früher, wenn ich mit meinen Eltern an der Ostsee war und wir einen Spaziergang am Hafen machten. Es war immer eine Freude die Fischer zu beobachten, wenn sie mit dem Kutter in den Hafen einfuhren und ihren Fang für den Verkauf vorbereiteten. Am liebsten hatte ich die Krabbenkutter, die ihre Ware direkt vom Schiff verkauften. Wir nahmen oft welche für das Abendessen mit. Später saßen wir in der Küche zusammen und pulten sie aus, immer noch mit dem Duft des Hafens im Riechorgan. Das war Glück, Frieden, Familie, Geborgensein und Heimat.
Heute lebe ich in Bayern, in Chiemseenähe, an dem ich manchmal zumindest ähnliche Gerüche aufschnappen darf. Nur die salzige Seeluft fehlt, auch Diesel und Abgase gehören nicht dazu, weil fast alle Boote elektrisch fahren. Bleibt nur noch der Fischgeruch, der für mich wichtigste von allen. Sofort kommen mir meine Kindheitserlebnisse aus Norddeutschland in den Sinn und stimmen mich glücklich. Glücklich, weil ich eine schöne Kindheit hatte und jetzt am Chiemsee eine neue Heimat gefunden habe mit ähnlichen Gerüchen. Wir fahren im Sommer oft mit unserem Motorboot auf die Fraueninsel und gehen dort in den Fischladen, um den frischen Fang vom selben Tag zu genießen. Vor allem die Renken schmecken gut. Ich bevorzuge die Matjesart, auch im Gedenken an die alte Heimat.
Im Winter kaufen oder essen wir den Fisch in einem Fischgeschäft in Prien, herrlich dieser Duft von geräuchertem oder mariniertem Fisch. Wer behauptet, dass Fisch stinkt, der irrt. Wenn er stinkt, ist er alt und ich würde ihn niemals essen. Frischer Fisch stinkt nicht, er riecht angenehm, schmeckt gut und ist gesund. Wahnsinnig gern esse ich Aal, den aßen wir früher oft in einer Aalhütte in meiner Heimat, dort konnte ich ihn frisch geräuchert oder in Aspik genießen, zusammen mit knusprigen Bratkartoffeln. Ein Duft zum Dahinschmelzen, Aal und Bratkartoffeln. Im Chiemsee gibt es ebenfalls Aale, leider schmecken die nicht annähernd so gut, wie die aus dem Meer. Deshalb bevorzuge ich im Chiemgau die Renkenmatjes, ebenfalls eine kleine heimatliche Erinnerung, wo es Matjesheringe gab. Ich bereite sie mit einer Mayonnaisen-Joghurt Soße zu, die Zwiebeln, Äpfel, und Gewürzgurken enthält. Genau so, wie meine Mutter sie immer zubereitet hatte. Dazu natürlich festkochende Pellkartoffeln. Da ich meine Jugendzeit inmitten eines Kartoffelanbaugebiets verbracht hatte, bin ich bezüglich dieser Erdäpfel besonders kritisch, was die Qualität betrifft. Dort wurden nicht irgendwelche Kartoffeln angepflanzt, sondern Heidekartoffeln. Wer sie einmal probiert hat, will keine anderen mehr essen. Diese Kartoffeln sind für mich auch ein Stück Heimat, sie duften anders, als irgendwo sonst, und sie sind nicht so blass, sondern goldgelb.
© EmmaMaria 2024-10-15