1969 ging ich nach Graz zum Studium. Ich fand Aufnahme in einem, nein DEM Studentenheim. Am Hafnerriegel Nr. 53, ein für mich Landei sehr beeindruckender Bau. Mein erster Wolkenkratzer. 18 Stockwerke mit interessanter Außentreppe.
Unmittelbarer Anrainer war die legendäre „Gruabn“, das Stadion von Sturm Graz. Von unserer Küche im 6. Stock sah man auf das Spielfeld. Daher war unsere Einheit D6 beliebter Treffpunkt bei jedem Spiel. An solchen Tagen wurde das Heim schon früh morgens gesperrt, denn sonst wäre wohl das Gebäude schon vor dem Anpfiff auf das Spielfeld gekippt.
Es war ein streng katholisches Heim. Bis zum 5. Stock waren die „Buben“ untergebracht. Vom 6. bis zum 13. die Mädchen. In Einheiten von 6 Personen in 3 Zweibettzimmern.
Wir waren die erste Mädcheneinheit auf D6, schon bald Dora Sex genannt. Die Kärntnerinnenquote war sehr hoch. In Prozenten kann ich es nicht ausrechnen, aber in absoluten Zahlen stand es 5:1. Aus irgendeinem Grund hält sich hartnäckig ein Gerücht, welches besagt, dass Kärntnerinnen einen Sprachfehler haben. Sie könnten angeblich nicht „Na“ sagen. Also, wir waren Dora Sex, das ließ sich nicht vermeiden.
Beim ersten Krampuskränzchen Anfang Dezember „stießen“ wir auf die unmittelbar unter uns liegende, nach oben hin letzte, „Buben“-Einheit Cäsar 5. Das war vielleicht ein Jauchzen und Frohlocken! Sex nette, witzige, buntgemischte Burschen, angehende Ärzte, Philosophen-Mathematiker, Architekten, Bauingeniöre… Studentinnenherz, was willst du mehr!
Wir hatten zwei unglaublich lustige Semester. In keinem Jahr davor oder danach hab ich je wieder so viel gelacht wie im Wintersemester 1969/70. Die 5 Cäsaren kamen über die Treppe hoch, um mit uns Kärntner(Innen) Speck zu jausnen, wenn wieder ein Packerl von Mutti eintraf. Man kam sich zwangsläufig näher. Kärntner Speck war ein unglaublich anziehendes Produkt. Damals zumindest.
Jedenfalls war unser Zweibettzimmer schon bald doppelt belegt. Es handelte sich um ein streng katholisches Heim, wie eingangs schon erwähnt, und die Burschen mussten sich nach 21 Uhr in Luft auflösen. Die Quantenphysik war noch nicht so weit.
Einige Male im Jahr gab es unangekündigte Kontrollen durch den Heimleiter, auch Vorsitzender der katholischen Hochschülerschaft und später ein ganz hohes Viech in der Grazer Welt des Katholizismus. Begleitet wurde er von einer unterwürfigen Theologiestudentin, die Protokoll führte, und einem Kampfhund (kein Scherz!). Er wird sich gedacht haben: Wer weiß, wozu Kärntner Studentinnen in Ausnahmesituationen fähig sind!
Jedenfalls waren wir gezwungen, eine Lösung für dieses Problem zu finden, da der Speck sich manchmal auch bis nach 21 Uhr hinzog. Wir machten also regelmäßig Katastrophenschutzübungen. Klingeln an der Tür. Bettzeugladen auf, je ein Cäsar5 hineingestopft, zu!!! Stoppuhr gestoppt. Wir wurden ständig besser. Gott sei Dank kam es nie zum Super-GAU. Der Kampfhund hätte sicher den Speck gewittert.
© 2019-10-22