Haialarm am Bodensee

Ingrid Cemper

von Ingrid Cemper

Story

2018: Kurzurlaub am Bodensee, um den Bregenzer Festspielen beiwohnen zu können. „Carmen“ stand am Programm. Neugierig sah ich mir schon am Tag vor der Premiere, die imposante Bühne an.

Da erschienen plötzlich die Musiker des Orchesters, nahmen im Orchestergraben Platz und begannen ihre Instrumente zu stimmen. Bald danach erschien auch der Dirigent. An seinem Gehabe war zu erkennen, dass ihm die glühende Hitze ebenso zu schaffen machte, wie den MusikerInnen. Mit den Worten:“Augen zu und durch, meine Damen und Herren, wir beginnen!“, begann er den Taktstock zu schwingen. Da! Ein Misston. „Geige zwei, was ist los?“ „Dachte, einen Hai im See gesehen zu haben“. „Einen Hai?! Hier?! Schauen Sie aufs Notenblatt und nicht auf den See“. Nach ein paar Takten:“Cello! Sagen Sie bloß sie haben auch einen Hai gesehen?!“ „Nneeeiiin… Mich hat bloß etwas geblendet.“ „Dann setzen sie die Sonnebrille auf!“ ´Der hat gut reden, hab keine mit.´ dachte er sich mit Schweißperlen im Gesicht. Endlich war der erste Probenteil zu Ende. Zum zweiten Teil wurde die Carmen-Darstellerin auf die Bühne gebeten. Das Orchester begann zu spielen, während sie mit aufrechter Haltung auf der Bühne erschien. Sie begann sich einzusingen: „aa-ee-ii..“. Da versagte plötzlich ihre Stimme. Erschrocken griff sie sich an den Hals, räusperte sich und begann von neuem. Wieder passierte dasselbe. Erschrocken sah sie der Dirigent an: „Um Himmels Willen! Was ist mir ihrer Stimme los?“ „Da! Da vorne!“ Stotternd, mit zitternder Hand, deutete sie auf den See. Ihr hübsches Gesicht verzog sich zu einer ängstlichen Grimasse. „Sehen sie jetzt auch schon einen Hai? Hier am Bodensee?“ konterte der völlig entnervte Dirigent und zerschmetterte dabei seinen Dirigentenstab am Notenpult. Jetzt verstummten auch noch alle Instrumente. Denn alle Musiker eilten auf die Bühne und starrten ganz gebannt dorthin, wo die Sängerin hinzeigte. Sie riefen mit geweiteten Augen: „Dort, tätsächlich ein Hai!“ Der irritierte Dirigent nahm das aber nicht ernst und rief verzweifelt:“Bitte, alle sofort auf ihre Plätze! Das sind nur Erscheinungen durch die vibrierende heiße Luft!“ Dann brüllte er zum Requisiteur: „Einen Dirigentenstab, aber dalli,dalli!“

Wie befohlen, nahmen alle wieder ihre Position ein und versuchten sich zu beruhigen. Harmonisch erklangen die Töne des Orchesters. Die Sängerin schritt majestätisch auf die Bühne und sang bravourös die erste Arie aus der wunderbaren Oper von Georges Bizet.

Nun wurde die zweite Arie geprobt. Musik erklang, die Sängerin erhob die Stimme, alles bestens.

Da! Plötzlich war die extrem laute Sirene der Wasserpolizei zu hören. Erneute Aufregung! Diesmal eilte auch der Dirigent mit den anderen zum Bühnenrand. Sie beobachteten, wie der Hai vom Wasser an Land gebracht wurde. „Ich hatte doch recht“ rief die Sängerin, einer Ohnmacht nahe.

Lächelnd präsentierten die mutigen Männer das gefährliche Tier: Es entpuppte sich als Kinderluftmatratze.

© Ingrid Cemper 2019-07-30