von Frank Wallner
Ich liebe Gedichte, Balladen und Haiku. Vor einigen Jahren gab es in unserer Volkshochschule einen Kurs in kreatives Schreiben. Er wurde von Karina Odenthal, einer Dramaturgin und Autorin, geleitet. Sie begann den Kurs immer damit, dass wir als Erstes zu einem bestimmten Thema ein Gedicht schreiben sollten. Am Anfang war ich davon etwas irritiert. Ich wollte doch ein berühmter Romanautor werden und auf die Spiegel-Bestsellerliste kommen. Na gut dachte ich, dann fangen wir eben mit Gedichten an, schließlich haben Goethe und Schiller, Fontane und Brentano das auch getan. Irgendwann lernte ich dann eine japanische Versform, das HAIKU, kennen und schrieb die ersten zu Beginn unseres Schreibkurses. Frau Odenthal war begeistert.
Ein HAIKU besteht traditionell aus drei Zeilen zu fünf-sieben-fünf Silben. Matsuo Basho ein buddhistischer Mönch machte das HAIKU im siebzehnten Jahrhundert populär. In Japan gibt es wohl keinen Haushalt, in dem nicht eine Ausgabe seiner HAIKU-Tagebücher zu finden ist. Auch bei uns, im deutschsprachigen Raum, gibt es HAIKU-Schreibwettbewerbe, HAIKU-Kalender, sogar einen HAIKU-Krimi habe ich schon einmal gelesen. Das HAIKU beschreibt einen kurzen erlebten Augenblick in der Natur und bezieht sich dabei sehr oft auf die jeweiligen Jahreszeiten.
Jetzt hat endlich der Frühling begonnen und es bietet sich an, mal wieder Frühlings-HAIKU zu schreiben. Hier kommen einige aus meiner Feder:
Den Rapsblütendurst
löscht nur das Himmelsnass doch
kein Regen in Sicht
Die ersten Blüten
zerstäubt ein böiger Wind
gelb ist der Balkon
Kräutergartenduft
weht zum Tennisplatz, ringsum
blüht der Bärlauch weiß
Schmetterlingsloses
Sommerwiesenblumenmeer.
Wo schmettern sie nur?
Mittagspausenbrot
Die Brücke spendet Schatten,
auch dem Löwenzahn
Noch zirpt die Grille
sopranistisch sorgenlos
bis die Erde bebt
Wespen sind heiß auf
Vesperbrot mit Schinkenspeck
Vorsicht, Stechgefahr!
In einem HAIKU-Lehrbuch von Stefan Valentin Müller heißt es: Der beste Rat zum HAIKU-Schreiben ist, in bequemen Schuhen und mit offenen Augen durch Feld und Wald, durch Allee und Fußgängerzone oder im Kopf spazieren gehen. Aus erlebten, aufmerksamen Momenten schöpfen und diese in HAIKU-Formen gießen.
Ich hoffe sehr, dass ich meine Leser etwas neugierig auf die kürzeste Gedichtform, dem HAIKU machen konnte. Probiert es doch einmal aus. Ich wünsche allen viel Spaß dabei. Zur Belohnung habe ich noch ein HAIKU für alle Katzenliebhaber:
Katzenmomente:
Grüne Augenblicke mit
Mäuseträumerei
© Frank Wallner 2021-04-04