von Florian Warum
„Die Straße ist gut“ befand Ambulanzfahrer Fred während der dreistündigen Anreise nach Entasekera. Er ist solche Fahrten gewöhnt. Für mich ist schon ein Schluck aus der Wasserflasche eine Herausforderung. „Hakuna Matata“, sagt Fred. „Alles mit der Ruhe“.
Über Kenya könnte ich vermutlich ein Buch mit mehreren Geschichten schreiben. Zum Beispiel über die Fotosafari: Wenn Hyänen den Weg kreuzen, ein Gepard sich an seine Beute heranpirscht oder Giraffen zu den stacheligen Akazien stolzieren. Ober über den Ausblick aus einem Heißluftballon auf die Weiten der Maasai Mara, dem größten Nationalpark in Kenya und das anschließende Frühstück mit Champanger, Omletts, frischen Passionsfrüchten und Schwarztee.
Ich könnte auch über die Anreise ins Camp nahe des zweitgrößten Schildkraters der Welt schreiben. Wo nach wie vor unzählige „Smoker“ ihre Geschichten über erloschene Vulkane erzählen. Und über die heißen Quellen als deren Überbleibsel. Aus diesen Quellen gewinnt man heute Strom. Eine Geschichte wäre wohl den nachtaktiven Hippos gewidmet. Oder den zahllosen Vögeln, die mit ihrem Gesang für eine faszinierende Geräuschkulisse sorgen. Abends zwitschern sie dein Gute-Nacht-Lied, am Morgen wecken sie dich.
Besonderen Eindruck hinterlassen haben aber die Tage im Krankenhaus von Entasekera. Eine schwangere Frau, die auf einen Notkaiserschnitt hofft und nicht weiß, ob sie ihr Kind gesund zur Welt bringen wird … fährt dann lieber schlecht in der Ambulanz über einen üblen Karrenweg ins Krankenhaus, als den Weg zu Fuß zu gehen. „Zum Entbinden ist diese Frau 23 km weit zu Fuß gegangen“, erklärt mir Dr. Isayah Mootian bei der Visite im Krankenhaus Entasekera. Im selben Zimmer liegt die Mutter eines Frühchens mit 1.100 Gramm Geburtsgewicht. Solche Umstände dürften meine ehemalige Lehrerin für Biologie und Bildnerische Erziehung, Maria Schiestl, bewogen haben, sich den Menschen im Maasai Land anzunehmen.
„Ohne Daktari Maria wäre diese Krankenstation nicht auf dem Niveau von heute“, meint Andrew mit einem Kind am Arm. Seine Ehefrau arbeitet im Krankenhaus. Mit ihr und zwei weiteren Kindern wohnt er in einem der Personalhäuser. „Ich habe 100 Kühe und 400 Ziegen“, erzählt er stolz. Damit kann er seine Familie sehr gut ernähren und könnte sich sogar eine zweite oder dritte Frau leisten, wie andere Maasai (bekanntester von 42 Volksstämmen) auch. Polygamie ist hier nicht viel mehr als eine finanzielle Frage. Denn bei Koch und Nachtwächter Elisha sieht es anders aus. Er hat drei Frauen sowie 16 Kinder, für deren Lebensunterhalt nur zwei Kühe und zehn Ziegen.
Doch nicht nur mit Geburten hat man zu tun. Verbrennungen und Verletzungen sind Alltag. Umso größer ist mein Respekt für die Arbeit der Ärzte und Schwestern. Mit 85.000 Euro Jahresbudget wird beste medizinische Versorgung gewährleistet. „Asante sana“ danken es die Maasai danken es in ihren farbenfrohen Gewändern mit Lebensfreude.
© Florian Warum 2019-12-04