Hallo Mama!

Saschus-Longus

von Saschus-Longus

Story
2008

Ich bin in meiner Jugend nicht mit einem Handy aufgewachsen, zumal ich das Bedürfnis danach nicht verspürte. Erst im zarten Alter von siebzehn Jahren wurde mir ein Prepaid-Handy von meiner älteren Schwester und ihrem Mann geschenkt – ein einfaches, weißes Tastenhandy ohne Kamera (gab es da einfach noch nicht) und vor allem: ohne Snake!

Ich hatte damals meinen Führerschein gemacht und die Fahrprüfung bestanden. Daher beschloss meine Familie, dass es von da an für mich von Vorteil sein könnte, mobil nicht nur erreichbar zu sein (was ganz sicher dem sicheren Fahren sogar abträglich gewesen wäre), sondern vor allem auch von unterwegs andere in dem unrühmlichen Fall erreichen zu können, falls ich ein Problem hätte oder Hilfe benötigen könnte. Genutzt habe ich dieses neue elektronische Gadget jedenfalls nicht in dem Umfang, wie es anderer meiner Mitschüler taten. Ich hatte zwar ein Handy, aber das war es auch schon.

Das einzige, was mich wirklich, wirklich störte, war das fehlende Snake-Spiel auf dem Handy – ein kurzweiliges Vergnügen, welchem ich schon auf den Handys meiner beiden Geschwister zu deren Leidwesen gerne nachkam. Als ich dann in einem Prospekt damals ein Angebot sah, dass es ein Handy eines allseits legendären Handyfabrikanten der Anfangsjahre mit Snake gab, zu einem monatlichen Preis von atemberaubenden 0 Euro, sodass nur die reinen Minuten und SMSen abgerechnet würden, musste ich einfach zuschlagen. Da man damals sich über Rufnummermitnahme nur wenig Gedanken machte und das Prepaidhandy auch keine monatlichen Fixkosten bedeutete, hatte ich nun also zwei Rufnummern auf zwei Handys.

Nutznießer davon waren unter anderem auch meine Eltern, die zwar beide schon seit Jahrzehnten Autofahrer gewesen sind, denen aber noch kein mobiles Telefon geschenkt wurde (der Leser mag über diese Doppelmoral nun denken, was er mag…). Ab und zu nahmen sie mein erstes Zweithandy mit, falls sie unterwegs einen wichtigen Anruf erwarteten, oder sie uns Kinder daheim erreichen wollten.

Eines Tages waren meine Eltern wieder mit meinem Handy unterwegs. Meine Mutter hatte mir schon beim Wegfahren gesagt, dass sie sich von unterwegs melden würden. Ich war daher nicht sonderlich überrascht, als ich nach einiger Zeit das Festnetztelefon klingeln hörte. Ein kurzer Blick auf die Rufnummernanzeige betätigte meine Vermutung, dass die Betreibervorwahl zu meiner Nummer passte. Also ging ich direkt ans Telefon, nicht mich normal meldend mit „Hallo, wer ist da?“, sondern mit einem fröhlichen „Hallo Mama!“

Stille! Ich weiß nicht mehr wie lange. Gefühlt war es eine Ewigkeit. Dann „Hallo! Bin ich bei Familie Longus? Hier ist Frau Berghalm, die Biologielehrerin von Veronika (Anm. Autor: meine Schwester). Ich wollte nur kurz fragen, wie es ihr geht?“ Frau Berghalm hatte nun ausgerechnet die gleiche Vorwahl, wie ich – etwas, worauf ich den Moment nicht geachtet hatte. Die Pointe aber: Frau Berghalm war schwanger gewesen. Vielleicht hat sie deswegen auch erstmal einen Moment gebraucht, um die Verwunderung, dass sie mit „Hallo Mama!“ begrüßt wird, zu verdauen.

© Saschus-Longus 2025-04-08

Genres
Humor& Satire
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