Endlich wieder Halloween! Ich bin 6 Jahre alt. Der Süßigkeitenvorrat vom letztem Jahr ist schon längst aufgegessen. Jetzt ist endlich wieder Zeit alles wieder aufzufüllen.
Schon Wochen vorher bereiten sich meine Geschwister und ich auf diesen Tag vor. Welches Kostüm? Welchen Hut? Wie sollen wir uns schminken? Mama wühlt mit uns in den Verkleidungskörben. Hexennase, Vampirzähne, Gespenst, alles da. Wir schneiden viele, schwarze Fledermäuse aus Karton aus und Mama hängt sie an die Fenster. Der Kürbis ist schon geschnitzt und steht mit Teelichtern und bunten Herbstblättern vor der Tür. Dieses Jahr ist er besonders gruselig geworden.
Abends ist es dann so weit. Wir ziehen die Kostüme an und Mama schminkt uns noch. Ich habe ein lila Hexenkleid an mit lila Hexenhut und einer glitzernden Riesenspinne drauf! Meine Brüder sind alle Vampire. Es kann losgehen! Aufgeregt und mit großen Erwartungen laufen wir aus dem Haus. Schon bei den ersten Häusern, an deren Zäune Kürbisse leuchten, sind wir erfolgreich und bekommen Süßigkeiten und sogar etwas Geld zugesteckt. Viele Häuser sind wirklich gruselig geschmückt mit Hexen und Besen im Vorgarten. Auch anderen Kindern mit tollen Kostümen begegnen wir auf dem Weg. Unsere Taschen werden langsam voll. Besonders über Maoam und Schokoladenlutscher freuen wir uns.
Als es dunkel wird, kommen wir noch zu einem sehr düsteren Haus etwas abseits vom Weg. Die Äste von der Trauerweide im Garten schwanken unheimlich im Wind. Aber weil ein Kürbis vor der Tür leuchtet, nehmen wir all unseren Mut zusammen und läuten auch hier an. Die Tür geht auf und eine merkwürdige, kleine Frau in einem farbenfrohen Kleid und einem Gänseblümchenkranz, tanzt aus dem Vorraum mit einem hellbraunen Korb aus der Tür. Ich muss mich sehr zusammenreißen, um nicht loszulachen, denn diese Frau passt so gar nicht zu dem Haus. Die Dame begrüßt uns mit einem belehrenden Unterton: ,,Hallo, liebe Kinder! Bei mir gibt es nur Gesundes, auch wenn Halloween ist. Hier sind ein paar Äpfel und Müsliriegel.“ Irgendwie erinnert mich das ganze schwer an ein Märchen. Mit erhobenem Zeigefinger spricht sie weiter: „Aber wenn ihr einen Müsliriegel wollt, müsst ihr auch einen Apfel nehmen!” Schnell antworte ich: ,,Meine Mama hat gesagt, ich soll keine Äpfel essen, davon bekomm ich Bauchweh“, schnappe mir einen der Müsliriegel und sprinte so schnell ich kann hinter meine Brüder. Alle anderen schleppen ab nun auch Äpfel in den mittlerweile ziemlichen vollen Säcken. Den kleinen Kieselweg entlang marschieren wir mit überquellender Beute und unserer Laterne wieder nach Hause.
Dort teilen wir all unsere Süßigkeiten untereinander auf und meine Brüder erzählen, noch bevor sie mein hochrotes Gesicht sehen, von der unheimlichen Begegnung mit der alten, kleinen Dame mit den Äpfeln und Müsliriegeln.
Mama hält sich den Bauch vor lachen!
© Maximilia_schreibt 2020-10-31