von Michael Schaake
Corona bedingte Leere der Innenstädte und online-Shopping, Amazon & Co. sorgen dafür, dass Galeria Karstadt Kaufhof fast die Hälfte der Kaufhäuser schließt. Oder gibt es vielleicht noch einen anderen Grund?
In den Jahren 1957 bis 1959 führte mich mein Schulweg an der Karstadt-Filiale in Düsseldorf Schadowstraße vorbei. Ich ging nach der Schule gern mal hinein, um mir all die schönen Dinge anzusehen, die es bei uns zu Hause nicht gab, wie Fernseher und anderes vom Luxus der großen Welt, was ein kleiner Junge sich halt so vorstellt. Denn die Klassenkameraden hatten den ja, zumindest angeblich nach ihren Erzählungen. Ich wurde zu Hause kurzgehalten, nicht unterversorgt, aber meine Eltern, beide Lehrer, wollten bestimmen, was für den Achtjährigen sinnvoll ist. Dazu gehörten nicht nur kein Fernsehen, sondern definitiv auch nicht Süßigkeiten, Schokolade, und nur so viel Taschengeld, dass ich mir davon keine kaufen konnte.
Also besorgte ich mir die Schokolade bei Karstadt „so“ – ich klaute sie. Nicht ganz regelmäßig, aber immer öfter. Ich war bescheiden und nahm die billige Blockschokolade für 50 Pfennige, die teuren Tafeln für 1 Mark von Milka oder Sarotti zu klauen, hätte ich unverschämt gefunden. Ich hatte auch schon mal was von Kaufhausdetektiven gehört, aber wie gesagt, nur gehört, nie gesehen, und ich aß die Schoko draußen immer gleich auf – was drin ist, kann keiner mehr finden.
Ich war ein frommes Kind, Erstkommunion, Messdiener etc., aber diesen Mundraub habe ich nicht gebeichtet, war schließlich nur eine lässliche Sünde. 1959 kam ich aufs Görres-Gymnasium: Mein Schulweg führte mich nicht mehr bei Karstadt vorbei, sondern bei Kaufhof an der Königsallee, und in einem für mich neuen Laden wollte ich das nicht nochmal riskieren. Außerdem schloss mein neues elitäres Ethos als Gymnasiast Sex & Crime aus, na ja, eigentlich nur Crime, für Sex war ich noch zu jung.
In meinem späteren erwachsenen Leben habe ich viele Jahre lang täglich eine Tafel Schokolade gegessen, gekauft, von der teuren, versteht sich. Eigentlich ein Fall für Psychoanalyse und Therapie, aber das wollte ich nicht, machte stattdessen den kalten Entzug. Inzwischen substituiere ich mit Schoko-Quark und Kakao beim Frühstück, auch ganz (l)egal.
Aber zurück zum Niedergang von Karstadt: Irgendwann muss das Malheur ja mal klein angefangen haben, vielleicht war ich der Auslöser. Meine Schuld, tut mir echt leid, lieber René Benko und Aktionäre.
© Michael Schaake 2020-09-24